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CRESCENDO 5/18 September-Oktober 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Mit großer Würdigung Leonard Bernsteins und Interviews mit Martin Stadtfeld, Iveta Apkalna und Julian Prégardien.

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M U S I K & K U N S T<br />

MUSIK<br />

KÜSST<br />

BILDENDE<br />

KUNST<br />

Über die Jahrhunderte hinweg<br />

sind Musik und bildende Kunst<br />

beständig im Gespräch.<br />

Ab dem Fin de siècle verweben<br />

sie sich immer extremer.<br />

VON RUTH RENÉE REIF<br />

Anfang März 1968 reist Marcel Duchamp nach Toronto<br />

zu John Cage. Auf der Bühne des Ryerson Theatres spielen<br />

die beiden Schach. Das Brett ist mit Kontaktmikrofonen<br />

ausgestattet. Sobald ein Spieler eine Figur bewegt,<br />

werden Klänge hörbar, die entsprechend der Bewegung auf dem<br />

Brett variieren, und auf Bildschirmen erscheinen oszilloskopische<br />

Bilder. „Reunion“ markiert den Extrempunkt einer Verschränkung<br />

von Musik und bildender Kunst, die um die Wende zum<br />

20. Jahrhundert an enormer Dynamik gewinnt und deren Wurzeln<br />

weit zurückreichen.<br />

Leonardo da Vinci wurde berühmt als Maler der „Mona<br />

Lisa“. Seine Zeitgenossen sahen ihn möglicherweise anders. Denn<br />

Leonardo soll auch „göttlich“ gesungen und sich dabei auf der Lira<br />

da Braccio begleitet haben. Als Naturforscher stellt er Überlegungen<br />

an zur Ausbreitung des Schalls und zur Funktionsweise des<br />

Gehörs. Seine Notizbücher enthalten Konstruktionszeichnungen<br />

von Musikmaschinen und Trommeln, die von Kutschenrädern<br />

angetrieben werden.<br />

Die Künstler der italienischen Renaissance genießen hohes<br />

Ansehen. Sie werden geachtet für ihr enzyklopädisches Wissen<br />

und ihre vielfältigen Begabungen. Giorgione, der den Freskenschmuck<br />

einiger Palastfassaden am Canal Grande in Venedig<br />

schafft, bevor die Pest ihn hinwegrafft, glänzt in Gesellschaft als<br />

Sänger und Lautenspieler. Auch der Maler Tintoretto spielt in seiner<br />

Jugend die Laute und widmet sich der Erfindung neuer Instrumente.<br />

Albrecht Dürer, der um jenes Ansehen ringt, das er in<br />

Italien bei seinen Kollegen bestaunt hat, stellt sich gern im Kreis<br />

von Musikern dar. Unverständliche Aufzeichnungen aus seinem<br />

Nachlass wurden als deutsche Orgeltabulatur entziffert.<br />

Doppel- und Mehrfachbegabungen sind keine Seltenheit.<br />

Zumeist bricht das Kunstwollen jedoch in einem Genre durch.<br />

Dominique Ingres, der mit seinen sinnlichen Aktdarstellungen<br />

Berühmtheit erlangt, lernt von seinem Vater zeichnen und geigen.<br />

Während seines Kunststudiums an der Akademie von Toulouse<br />

spielt er im Sinfonieorchester der Stadt. Auch Felix Mendelssohn<br />

und seine Schwester Fanny begleitet er auf der Geige. Mendelssohn<br />

selbst besitzt ein Talent fürs Schreiben, fürs Zeichnen und<br />

fürs Musizieren. Sein Leben bestimmt die Musik. Doch nach dem<br />

plötzlichen Tod der Schwester und kurz vor seinem eigenen sucht<br />

er Trost im Zeichnen und Aquarellieren.<br />

Eugène Delacroix, der große Meister der französischen<br />

Romantik, zeigt in seiner Jugend ebenfalls eine Vorliebe für die<br />

Musik. Er ist ein guter Geigenspieler, träumt sogar von einer<br />

Musikerlaufbahn und verkehrt in Paris in Musikerkreisen. Mit<br />

78 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>18</strong>

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