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CRESCENDO 5/18 September-Oktober 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Mit großer Würdigung Leonard Bernsteins und Interviews mit Martin Stadtfeld, Iveta Apkalna und Julian Prégardien.

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John Axelrods Weinkolumne<br />

ORGIASTISCH UND<br />

VERFÜHRERISCH<br />

Komponisten, bildende Künstler und natürlich Weinbauern:<br />

Alle lieben Bacchus!<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

Bacchus ist dieser wunderbar altertümliche,<br />

vielfach künstlerisch dargestellte Gott der<br />

Ausschweifung. Man muss ihn einfach gern<br />

haben – und bildende Künstler wie Komponisten<br />

taten und tun das! Neben all den<br />

anderen Figuren aus der Antike und der<br />

Bibel, die in Kunst und Musik gewürdigt<br />

werden, hat Bacchus immer einen besonderen<br />

Touch. Vielleicht, weil er einfach mehr<br />

Spaß macht.<br />

Der Danse Bacchanale von Saint-Saëns<br />

mag das Stück der Wahl sein, wenn es um<br />

Musik und visuelle Künste geht. Das Konzertstück<br />

steht in direkter Verbindung zu<br />

Bacchus und ist berühmt für seine Exotismen,<br />

Kastagnetten, Moll-Tonleitern und<br />

Fanfaren. Aber ich möchte Sie auch für das<br />

selten gespielte Cortège de Bacchus aus Delibes’<br />

Ballett Sylvia aufmerksam machen. In<br />

diesem Werk steckt alle Pracht des<br />

französischen Balletts, es berauscht<br />

aber auch mit einem unwiderstehlichen<br />

6⁄8-Takt.<br />

Der Bacchus von Caravaggio,<br />

dieses Meisterwerk des sogenannten<br />

„Chiaroscuro“, ist mustergültig<br />

für das Spiel mit dem<br />

Kontrast zwischen Licht und<br />

Dunkel. Der italienische Maler<br />

machte diese Technik zu seinem<br />

dominanten Stilelement,<br />

indem er Schatten noch stärker<br />

verdunkelte und seinen Motiven<br />

in gleißendem Licht Plastizität<br />

verlieh.<br />

Diesen Bacchus malte Caravaggio zwischen<br />

1597 und 1598 in einem eher friedlichen<br />

Lebensabschnitt (im Gegensatz zu seinem<br />

Kleinen kranken Bacchus, den er in der<br />

Genesungsphase nach einer Krankheit<br />

malte). Es handelt sich dabei um das Porträt<br />

eines jungen Mannes als griechischer Gott.<br />

Bacchus ist in weiße Gewänder mit schwarzem<br />

Gürtel gekleidet, dessen Ende er in der<br />

rechten Hand hält. In der linken hat er ein<br />

volles Weinglas, als würde er dem Betrachter<br />

anbieten, am Gelage teilzuhaben. Auf<br />

dem Tisch vor ihm stehen eine Obstschale<br />

und eine dickbäuchige Weinflasche, der<br />

interessanterweise unterstellt wird, eine<br />

Reflexion des Malers widerzuspiegeln.<br />

Bacchus ist gesund, muskulös, sogar<br />

üppig, mit dunklen Augenbrauen, geröteten<br />

Wangen, aufgequollenem Gesicht und einer<br />

gewissen Weiblichkeit, wie eine japanische<br />

Geisha beim Bade. In seinen<br />

Augen leuchtet nichts als angetrunkenes<br />

Verlangen. Das Obst auf dem<br />

Tisch, vor allem der Granatapfel,<br />

symbolisiert Sünde und verlorene<br />

Unschuld. Das alles ist verkörperte<br />

Begierde, die den Betrachter<br />

anregt, vom „Liebestrank“ zu<br />

versuchen.<br />

Es gibt zwei Weine mit<br />

Bezug zu Caravaggio. Der<br />

Proprietor’s Reserve von Forchini,<br />

ein Zinfandel, ist ein preisgekrönter<br />

Wein für echte Kenner. Er hat<br />

eine tiefviolette Farbe mit Aromen<br />

von Schokolade, Orangenschale und<br />

geröstetem Pistazien-Nugat, mit einem seidigen,<br />

spritzigen und fruchtigen Körper<br />

sowie Noten von Apfel, Anis, Zeder, Honig<br />

und Pfeffer im Abgang. Leider ist dieser<br />

Wein in Europa nicht ganz einfach zu<br />

bekommen.<br />

IN DEN AUGEN VON<br />

CARAVAGGIOS BACCHUS<br />

LEUCHTET ANGETRUNKENES<br />

VERLANGEN<br />

Probieren Sie ansonsten den preisgünstigen<br />

und ebenso wunderbar trinkbaren<br />

„Caravaggio“ von Marsovin, einen<br />

Cabernet Sauvignon, der den namensgebenden<br />

Bacchus ebenfalls auf dem Label trägt.<br />

Marsovin grüßt aus Malta, wo Caravaggio<br />

selbst eine Zeit lang lebte, bevor er wegen<br />

Verletzung eines Ritters ins sizilianische Exil<br />

fliehen musste. Marsovin war ein Pionier<br />

des Weinbaus auf Malta. Heute ist er bei vielen<br />

Liebhabern für Maltas herausragendsten<br />

Rotwein bekannt. Der „Caravaggio“ ist<br />

ein reichhaltiger, runder Rotwein mit intensiven,<br />

reifen Waldfruchtaromen von<br />

Schwarzer Johannisbeere und Brombeere<br />

und einem diskreten Minzschokoladen-<br />

Unterton. Er schmeckt, wie Bacchus aussieht:<br />

wunderbar dekadent. Entkorken Sie<br />

ihn, legen Sie Delibes’ Cortège auf und warten<br />

Sie auf die Ankunft der Gottheit! ■<br />

John Axelrod ist Generalmusikdirektor und Geschäftsführer des Real Orquesta Sinfónica de Sevilla und erster Gastdirigent des Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“. Nebenbei schreibt er<br />

Bücher und sorgt sich um das Wohl des crescendo-Lesergaumens. Außerdem schreibt er einen englischsprachigen Blog zum Thema Wein und Musik: www.IamBacchus.com. Übersetzung: Maria Goeth.<br />

Infos zum Wein von Forchini finden Sie hier: www.forchini.com; zum „Caravaggio“ von Marsovin hier: www.marsovin.com<br />

88 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>September</strong> – <strong>Oktober</strong> 20<strong>18</strong>

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