urbanLab Magazin IMPULSE 08/2020 - Heimatwerker*innen
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745.5452. Diese Zahlen und Merkels Ausspruch zeigen,<br />
dass viele Städte und Gemeinden, die die Flüchtlinge<br />
aufnehmen vor der Herausforderung stehen diese zu<br />
versorgen und in ihre Gemeinschaft zu integrieren. Als<br />
Gemeinschaftsprojekt von StadtBauKultur NRW, der<br />
Stadt Nieheim und der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe<br />
startete 2016 das Projekt Heimatwerker,<br />
um dieser Herausforderung mit einem innovativen<br />
Ansatz zu begegnen. Die vorliegende Arbeit geht der<br />
Frage nach inwieweit es gelungen ist die Integrationsleistungen<br />
der Stadt Nieheim, beziehungsweise ihrer<br />
Bewohner weiterzuentwickeln.<br />
Methodik<br />
Die Beantwortung dieser These kann nur mit Hilfe des<br />
Kontextwissens um den Ort und seine spezifischen Begabungen<br />
und Herausforderungen gelingen. In einem<br />
ersten Schritt erfolgte deshalb eine SWOT-Analyse, die<br />
sich auf Gespräche, Sekundärquellen und Ortsbegehungen<br />
stützt. Darauf aufbauend wurde ein Fragebogen<br />
entwickelt, der quantitative Daten zur Integration<br />
speziell von jungen Familien erfragt. Die Erhebung der<br />
Daten erfolgte in den Jahren 2016 (n=31 ) und 2017<br />
(n=30). Zusätzlich wurde ein Leitfaden für qualitative<br />
Experteninterviews entwickelt, der sich ausschließlich<br />
an Schlüsselpersonen richtet. Auch hier erfolgt die Erhebung<br />
in den Jahren 2016 (n=3) und 2017 (n=3). Die jeweiligen<br />
Teilergebnisse eines Jahres werden einzeln evaluiert<br />
und im Anschluss miteinander verglichen. Durch<br />
die Triangulation der verschiedenen Methoden ergeben<br />
sich schließlich Hinweise auf die Entwicklungstendenzen<br />
in diesem Handlungsfeld.<br />
SWOT-Analyse<br />
© StadtBauKultur NRW, Fotograf: Sebastian Becker<br />
Nieheim ist eine Kleinstadt des Kreises Höxter in Ostwestfalen-Lippe.<br />
Die baukulturelle Qualität einer solchen<br />
Kleinstadt mit zahlreichen Altbauten stellt ein<br />
erlebbares Kulturgut dar und kann selbst als Integrationswerkzeug<br />
verstanden werden. Zusätzlich bietet die<br />
Museumsmeile das Potential Kultur und Gepflogenheiten<br />
der neuen Heimat kennenzulernen. Für die Versorgung<br />
des täglichen Bedarfs befinden sich ausreichende<br />
Einrichtungen in erreichbarer Nähe. Bildungseinrichtungen<br />
befinden sich ebenfalls vor Ort. Die Integrationsbemühungen<br />
können hingegen durch die periphere<br />
Lage Nieheims erschwert werden. Auch der schlecht<br />
ausgebaute öffentliche Nahverkehr der auf die geringe<br />
Bevölkerungsdichte zurückgeht kann potentiell die Integration<br />
erschweren. Mit den Geflüchteten erhält Nieheim<br />
die Chance weitere Nutzer für private und öffentliche<br />
Angebote in die Stadt zu integrieren. Strategisch<br />
bietet sich die Chance die Nachbarschaftshilfe weiter<br />
zu stärken und zeitgleich für die Integration einzusetzen.<br />
Die Leerstände in der Stadt bieten das Potenzial<br />
von Geflüchteten wieder belebt und bewohnt zu<br />
werden.<br />
Das beste Beispiel für diese Chance ist der Umbau des<br />
Ackerbürgerhauses in dem Projekt Heimatwerker. Risiken<br />
für die zukünftige Entwicklung bestehen in der<br />
Notwendigkeit viele dieser Angebote gleichzeitig zu aktivieren.<br />
Gelingt dies nicht, so kann Frust und weiterer<br />
Leerstand entstehen, da sowohl Kunden als auch Angebote<br />
abwandern. Grundsätzlich kann es dazu gerade in<br />
einer kleinen Stadt wie Nieheim zu einem ungewollten<br />
Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen auf engem<br />
Raum kommen, dass sofern nicht moderiert oder gesteuert<br />
auch negative Eindrücke erzeugen kann, die<br />
schnell zu einer generellen Ablehnung der Aufnahmegesellschaft<br />
führen können. Insgesamt wird deutlich,<br />
dass Nieheim einige Potentiale und Chancen für eine<br />
gelingende Integration aufweist. Gleichzeitig zeigt sich<br />
aber auch die Notwendigkeit diese Prozesse zu steuern<br />
und aktiv zu gestalten, um die vorgenannten Potentiale<br />
zu nutzen und die Risiken im Integrationsprozess zu<br />
minimieren.<br />
Die Befragung junger Familien zur<br />
Flüchtlingssituation<br />
Die erste Befragung aus dem Jahr 2016 zeigt ein insgesamt<br />
positives Bild von Geflüchteten und der Hilfsbereitschaft<br />
der Nieheimer. Die Versorgung der Geflüchteten<br />
wurde dennoch als nicht ausreichend wahrgenommen.<br />
Die Befragten sehen Erwachsene Geflüchtete nicht so<br />
gut integriert wie die Kinder. Als Verbesserungsmöglichkeiten<br />
wird insbesondere ein Ausbau der Infrastruktur<br />
genannt, einschließlich besserer Freizeitmöglichkeiten,<br />
Wohnsituationen und Bildungsangebote.<br />
Unverändert blieben in der Befragung 2017 die Art und<br />
Weise des Aufeinandertreffens.<br />
Ein Großteil der Befragten begegnet den Geflüchteten<br />
täglich auf der Straße.<br />
Gleichbleibende 7% treffen Geflüchtete an der Arbeitsstelle.<br />
Immerhin 2 von 30 Befragten gaben 2017 an sich<br />
auch privat mit Geflüchteten zu treffen. 2016 hat dies<br />
niemand angegeben. Größere Veränderungen zeigen<br />
sich in dem gestiegenen Bedürfnis nach besserer<br />
Sprachförderung und besseren Bildungs- und Ausbildungsangeboten<br />
für Jugendliche und Erwachsene.<br />
Hier zeigt sich eine große und nochmals gesteigerte<br />
Unzufriedenheit. Auch therapeutische Angebote empfinden<br />
die Befragten weiterhin lückenhaft (60%, +10%).<br />
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