urbanLab Magazin IMPULSE 08/2020 - Heimatwerker*innen
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Ricarda Jacobi, Katrin Kollodzey<br />
Textil als Kommunikation zwischen Kulturen<br />
97<br />
"Heimatwerker.Textil" entstand aus dem Wunsch heraus einen eigenen Bereich<br />
speziell für die geflüchteten Frauen und Mädchen in Nieheim einzurichten.<br />
Hierfür entwickelten Studentinnen der Detmolder Schule für Architektur und<br />
Innenarchitektur Entwürfe zu besonderen Orten für die neu angekommenen<br />
Nieheimerinnen. Das Projekt wurde im Rahmen von zwei Semesterprojekten realisiert.<br />
Im ersten Semester richtete sich der Fokus der Semesterarbeit auf das<br />
Mädchenzimmer, einem eigenen Zimmer für Frauen und Mädchen. Im darauf<br />
folgenden Semester erweiterten sich die Ideen zu umfänglicheren Konzepten für<br />
das gesamte Haus. Die Integration einer textilen Werkstatt soll zukünftig zum<br />
Austausch und gemeinsamen Schaffen einladen.<br />
NEUE <strong>IMPULSE</strong><br />
Aufgabenstellung<br />
Die entstandenen Entwürfe stellen, neben der besonderen<br />
Auseinandersetzung mit Unterschieden und<br />
Schnittmengen der textilen Kulturen, die Bedürfnisse<br />
der geflüchteten Frauen in den Vordergrund.<br />
Die Abgeschiedenheit des Raumes zu den anderen<br />
Orten des Nieheimer Ackerbürgerhauses erlaubt es<br />
den Frauen zu beten, ihre Kinder zu stillen oder in<br />
den Austausch mit Neu- und Altnieheimerinnen zu<br />
treten. Im Entwurfsprozess kristallisierte sich heraus,<br />
dass trotz der notwendigen Rückzugsmöglichkeiten<br />
eine Verbindung zum Geschehen im restlichen Haus<br />
hergestellt werden sollte. Das Mädchenzimmer kann<br />
auf diese Weise ein unterstützendes Element für die<br />
Gemeinschaft bilden, die im Nieheimer Ackerbürgerhaus<br />
durch das Heimatwerker Projekt entsteht.<br />
Während der Workshops, in denen die Studentinnen<br />
und Neu- und Alt-nieheimerinnen gemeinsam mit<br />
Textilien handwerklich arbeiteten, wurde deutlich,<br />
dass ein großes Bedürfnis nach einem Begegnungsort<br />
besteht, welcher Raum für Kommunikation bildet.<br />
Wenn im ersten Teil des Projektes, „Heimatwerker.<br />
Textil“ der Rückzug und die Identifikation der Frauen<br />
mit einem eigenem Ort im Fokus stand, fokussierte<br />
der zweiten Teil vielmehr einen Kommunikationsort<br />
zu schaffen, mit der Möglichkeit zum handwerklichen<br />
Arbeiten und den darüber angeregten Austausch–<br />
die textile Handarbeit als Gesprächsgrundlage, als<br />
Vermittler zwischen den Frauen, zwischen Generationen<br />
und zwischen Neu- und Alt-Nieheimerinnen. Ziel<br />
war die Gestaltung einer textilen Lernwerkstatt und<br />
die inhaltliche wie räumliche Entwicklung eines regelmäßig<br />
stattfindenden Angebots als Austauschmöglichkeit<br />
für die Frauen Nieheims.<br />
In beiden Semestern verlief die Projektarbeit in aufeinander<br />
aufbauenden Phasen. Die Studentinnen<br />
setzten sich zu Beginn mit den Besonderheiten verschiedener<br />
textiler Kulturen und dem Thema Flucht<br />
auseinander.<br />
Im Rahmen dessen wurden traditionelle textile Techniken<br />
recherchiert und erprobt.<br />
Durch die gemeinsame Arbeit mit den Frauen vor Ort<br />
in den Workshops, welche von den Studentinnen geplant,<br />
organisiert und durchgeführt wurden, entwickelten<br />
die Seminarteilnehmerinnen sehr persönliche<br />
und sensible Konzepte zur Gestaltung des Mädchenzimmers,<br />
sowie einer textilen Werkstatt. Konzepte für<br />
Farbigkeit, Materialität und Oberflächen gliedern die<br />
Räume und schaffen besondere Orte – private Orte<br />
des Rückzugs, sowie sich öffnende Orte, die sich in<br />
die Gemeinschaft des Hauses einfügen.<br />
Die Studentinnen schafften räumliche Möglichkeiten<br />
der Aneignung durch sowohl Raumkonzepte, als auch<br />
durch differenzierte Ideen zu einzelnen, sich in den<br />
Raum fügenden Möbeln. Insbesondere im Mädchenzimmer,<br />
entstanden so Anregungen zu einem weiblichen,<br />
atmosphärischen Ort.