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urbanLab Magazin IMPULSE 08/2020 - Heimatwerker*innen

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38<br />

KONZEPTIONELLE PHASE<br />

In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf die<br />

Bedeutung von Orten der Begegnung hingewiesen.<br />

Jenseits notwendiger zielgruppenbezogener gemeinschaftlicher<br />

Treffs werden vor allem inklusive Angebote<br />

für die gruppenübergreifende Kommunikation<br />

zwischen den unterschiedlichen Geflüchteten selbst<br />

als auch mit den unterschiedlichen Teilen der Aufnahmegesellschaft<br />

als sinnvoll erachtet (z.B. interkulturelle<br />

Begegnungszentren oder -cafés). Durch die Sichtbarkeit<br />

der Geflüchteten sowie die Begegnung und<br />

Interaktion mit ihnen, können – ganz im Sinne der empirisch<br />

inzwischen in beeindruckender Weise belegten<br />

Kontakthypothese – auch Offenheit, Verständnis und<br />

Respekt gegenüber Vielfalt wachsen (vgl. Asbrock et al.<br />

2012, 204 ff.).<br />

Zwar ist die in vielen Gemeinden entstandene<br />

Willkommenskultur zu begrüßen. Noch fehlt es<br />

aber an der schrittweisen Etablierung einer „Anerkennungskultur“<br />

im Sinne eines Rechts auf<br />

Teilhabe.<br />

Dies wäre der nächste notwendige aber noch ausstehende<br />

Qualitätssprung (vgl. Schader-Stiftung 2014, S.<br />

100f.; vgl. Hamann u.a. 2017, S. 114). Wie in den Fallstudien<br />

mehrfach deutlich wurde, stellen sich die Herausforderung<br />

der Integration in den Gemeinden nicht nur<br />

in Bezug auf die Geflüchteten selbst sondern in „doppelter“<br />

oder gar „dreifacher“ Richtung (vgl. auch Kühn<br />

2018, S. 16). Dies gilt zum einen für die von Prekarisierung<br />

bereits betroffenen Teile der einheimischen Aufnahmegesellschaft<br />

bzw. jene, die sich auf Grund der<br />

vermeintlichen oder auch objektiven Konkurrenz um<br />

Ressourcen von Desintegration bedroht und durch die<br />

Politik vernachlässigt sehen. Zum anderen gilt für dies<br />

für die schon früher angekommenen Zugewanderten,<br />

die sich nun möglicherweise in ihrem eigenen Status<br />

gefährdet sehen und deshalb mit Zurückweisung und<br />

„Platzanweisergehabe“ auf Geflüchtete reagieren.<br />

Schlussbemerkung<br />

Weltweit waren Ende 2018 über 70 Millionen Menschen<br />

auf der Flucht – mehr als je zuvor seit Beginn<br />

der globalen statistischen Erfassung im Jahre 1951<br />

(Hanewinkel 2019). Doch nur ein Bruchteil von ihnen<br />

findet bislang den Weg nach Europa. Immerhin 15 der<br />

56 von den Studierenden untersuchten Gemeinden<br />

gehören zu jenen 101 meist größeren Städten in dem<br />

bundesweiten Bündnis der Seebrücke, das sich für einen<br />

„sicheren Hafen für Geflüchtete“ einsetzt<br />

(www.seebruecke.org).<br />

Jenseits der Fluchtmigration belegen die vhw-Migrantenmilieu-Surveys<br />

zu den Einstellungen und Lebenswelten<br />

Zugewanderter und ihrer Nachfahren nachdrücklich,<br />

dass die jeweiligen Lebenswelten (soziale<br />

Lage, Familienstatus, Bildungsnähe etc.) letztlich andere<br />

Faktoren wie ethnische Herkunft oder die religiöse<br />

Zugehörigkeit überlagern. Insbesondere verweisen<br />

sie darauf, dass sich die empirisch vorgefundenen<br />

Migranten-Milieus ähnlich strukturieren wie jene der<br />

Aufnahmegesellschaft nämlich entlang der sozialen<br />

Lage und dem Grad der Modernität der Lebensstilorientierung.<br />

Sie zeigen also die im Rahmen des generellen<br />

sozialen Wandels fortschreitende typische Tendenz<br />

der Individualisierung und Pluralisierung (vhw<br />

2018, S. 52). Polarisierende und vereinfachende Positionierungen<br />

im Sinne eines „Wir“ und „Ihr“ entsprechen<br />

damit weder den Realitäten der aufnehmenden<br />

Gesellschaft noch der Vielfalt der Zugewanderten.<br />

Prof. Dr. rer. pol. Reiner Staubach<br />

Stadtplaner AKNW, Lehrgebiet Planungsbezogene Soziologie,<br />

Planungstheorie und -methodik, Mitglied <strong>urbanLab</strong><br />

studierte Raumplanung und Pädagogik an der Universität Dortmund und lehrt seit<br />

1997 an der Hochschule OWL, sowie seit 2007 zusätzlich im Master Städtebau NRW.<br />

Er engagiert sich seit 1982 als Gründungs- und Vorstandsmitglied des Planerladen e.V.<br />

in der Dortmunder Nordstadt.

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