urbanLab Magazin IMPULSE 08/2020 - Heimatwerker*innen
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Prof. Dr. Reiner Staubach<br />
32<br />
KONZEPTIONELLE PHASE<br />
Qualitative Forschung in Nieheim und andernorts<br />
Bericht aus einem laufenden Lehrforschungsprojekt<br />
Seit dem Sommersemester 2016 wird durch das Lehrgebiet<br />
„Planungsbezogene Soziologie, Planungstheorie<br />
und -methodik“ ein Lehrforschungsprojekt zur<br />
„Integration von Zugewanderten in Städten und Gemeinden“<br />
betrieben, ohne dies allerdings offensiv als<br />
solches zu propagieren (vgl. Kühl 2009, S. 112). Es greift<br />
ein, nicht erst seit den Bildern über den im September<br />
2015 tot an den Strand bei Bodrum gespülten zwei<br />
Jahre alten Jungen Alan Kurdi, hochaktuelles gesellschaftliches<br />
Thema auf und stellt zugleich eine direkte<br />
inhaltliche Verknüpfung zwischen mehreren Lehr-Modulen<br />
her. Die Umsetzung erfolgte zunächst vor allem<br />
in „Empirische Sozialforschung“ und „Stadtsoziologie“<br />
und nach der Novellierung der Studienordnung im<br />
Rahmen der Module „Wissenschaftliches Arbeiten“<br />
und „Gesellschaft“. Daran beteiligt sind zumeist Studierende<br />
des zweiten und des vierten Semesters.<br />
Die Studierenden erhielten die Aufgabe, an Hand einer<br />
von ihnen selbst ausgewählten Gemeinde lokale Erfahrungen<br />
bei der Integration von Geflüchteten bzw.<br />
Zugewanderten zu dokumentieren sowie Hinweise<br />
auf Gelingensbedingungen zu identifizieren. Da es sich<br />
bei der Thematik der Integration von Geflüchteten für<br />
viele kleinere und mittlere Gemeinden im ländlichen<br />
Raum um eine (zumindest in der Dimension) in weiten<br />
Bereichen neue Herausforderung handelte, wurde<br />
den Studierenden als Forschungsstrategie ein induktiv-schrittweiser,<br />
punktuell sogar zirkulär angelegter<br />
Untersuchungsansatz empfohlen. Im Gegensatz zu<br />
der klassisch-linearen Untersuchungsstrategie mit<br />
dem Ziel der Überprüfung zu Beginn aufgestellter Hypothesen<br />
geht es bei der „Grounded Theory“ (Glaser/<br />
Strauss 1967) zunächst darum, generelle Grundannahmen<br />
herauszudestillieren um dann auf der Basis<br />
des fallbezogenen empirischen Materials zur weiteren<br />
Ausdifferenzierung und illustrativen Aufhellung des<br />
Kontextwissens im Themenfeld (u.a. Generierung weiterer<br />
Fragen für zukünftige Studien) beizutragen (Witt<br />
2001).<br />
Bei einem Lehrforschungsprojekt geht es um ein „forschendes<br />
Lernen“, das den Studierenden ein hohes<br />
Maß an Eigenständigkeit und Initiative abverlangt. Dabei<br />
kommt es vor allem zu einem praxisnahen Lernen,<br />
während die Grenzen des Wissenstransfers von der<br />
Hochschule zur Praxis punktuell überschritten werden<br />
können. In diesem Fall dient die Beobachtung der<br />
gelebten Praxis der Integration vor Ort primär als instruktives<br />
Feld zur Anreicherung von theoriebasierten<br />
Seminarinhalten. Der Theorie-Praxis-Anspruch dieses<br />
Lehrforschungsprojektes reicht damit nicht soweit wie<br />
etwa in der bereits klassischen Forschungsstrategie<br />
der „Aktionsforschung“ oder auch bei sog. „Reallaboren“<br />
im Zusammenhang mit Ansätzen „transdisziplinärer“<br />
bzw. „transformativer Forschung“, bei denen es<br />
letztlich sogar zu Formen der Einmischung und Intervention<br />
in lokale Prozesse kommen kann (vgl. Moser<br />
1997, Schneidewind 2014). Ein beeindruckendes Referenzbeispiel<br />
liefert hier das Projekt „Heimatwerker“ in<br />
Nieheim.<br />
Aufgabenstellung und methodische<br />
Vorgaben für die empirische Feldarbeit<br />
Untersuchungsdesign<br />
Vorgegeben wurde ein Methoden-Mix von qualitativen<br />
Instrumenten der empirischen Sozialforschung. In einer<br />
ersten wesentlich internetgestützten Erhebungsphase<br />
ging es um das Recherchieren und Sichten<br />
thematisch relevanter Veröffentlichungen („Kontext-