urbanLab Magazin IMPULSE 08/2020 - Heimatwerker*innen
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Prof. Dipl.-Ing. Kathrin Volk, Bart Brands<br />
Nieheim o.T.<br />
Die Studierenden des Bachelor Stadtplanung haben sich im Projekt Landschaft<br />
mit neuen innovativen Lösungsansätzen für eine nachhaltige, freiraumbasierte<br />
Stadt- und Dorfentwicklung beschäftigt. Am Beispiel der schrumpfenden Stadt<br />
Nieheim sollten neben räumlichen Entwicklungen auch Prozesse und Aktivitäten<br />
im Raum mitgedacht werden. Dabei spielten auch Begriffe wie Dörflichkeit,<br />
Privatheit und Gemeinschaft eine Rolle.<br />
Aufgabe<br />
21<br />
KONZEPTIONELLE PHASE<br />
Die Landschaftsarchitektur positioniert sich in einem<br />
weiten Feld zwischen Kunst und Wissenschaft, somit<br />
stellt das Entwerfen eine hochkomplexe Aufgabe dar.<br />
Neben ästhetischen Aspekten zählen auch geschichtliche,<br />
soziale, ökologische, kulturelle, ökonomische,<br />
gesundheitliche, politische und zeitliche Faktoren zu<br />
den Gesichtspunkten, welche in einem Entwurfsprozess<br />
stets neu gewichtet und zu einer Strategie synthetisiert<br />
werden müssen. In diesem sehr intensiven<br />
Abgleichungsprozess, welcher sich nicht linear vollzieht,<br />
gibt es nicht die eine richtige Lösung, sondern<br />
eine Vielzahl von Möglichkeiten, die unterschiedliche<br />
Lösungsansätze hervorbringen. Ein gelungener<br />
Entwurf geht aus der erfolgreichen Abwägung und<br />
Synthetisierung einer Vielzahl von Faktoren hervor,<br />
dessen Resultat eine qualitative Verbesserung des<br />
Vorhandenen darstellt.<br />
Thema des Projektes<br />
"Nieheim ist eine der Städte im Kreis Höxter mit den<br />
geringsten Bevölkerungszahlen, es leben dort ca.<br />
6.700 Einwohner auf etwa 80 qkm, davon ca. 3.000<br />
Personen im Kernort, der den Siedlungsschwerpunkt<br />
darstellt. Daneben existieren neun weitere, kleine<br />
Ortschaften. Der Kernort weist neben dem historisch<br />
geprägten Stadtzentrum Wohngebiete, ein Gewerbegebiet,<br />
sowie ausgedehnte, teilweise öffentliche<br />
Grünbereiche auf.", so wird die Stadt Nieheim im Integrierten<br />
Handlungskonzept aus 2011 beschrieben.<br />
Und an anderer Stelle heißt es "In der Stadt Nieheim<br />
wird für den gleichen Prognosezeitraum (von 20 Jahren)<br />
sogar mit einem (Bevölkerungs-) Rückgang von<br />
20 % gerechnet." Keine guten Aussichten, aber eine<br />
Herausforderung für Stadtplaner, Landschaftsarchitekten<br />
und Utopisten, die im besten Falle beides sind.<br />
Die Stadt Nieheim mit ihrem pittoresken Erscheinungsbild,<br />
der räumlichen Lage inmitten von Landschaft,<br />
der Problematik der Schrumpfung, kann Beispiel<br />
werden für die Entwicklung neuer Lebensstile<br />
und Lebenskulturen. Wachstum als Paradigma ist<br />
bekannt, funktioniert aber in ländlichen Raum immer<br />
weniger.<br />
Wie aber ändert sich unser Denken als Stadtplaner,<br />
wenn nicht Wachstum, sondern Stabilität zum Paradigma<br />
werden. Oder, noch weiter gedacht: wenn<br />
Schrumpfung nicht als Makel, sondern als Gewinn von<br />
neuen Möglichkeiten, Freiheiten verstanden wird? Wie<br />
entwerfen und denken wir Stadt und Landschaft,<br />
wenn wir von vertrauten Handlungsmustern abweichen<br />
und neue erfinden müssen? Wenn die Idee der<br />
Gleichheit als Prinzip in allen Lebensräumen der Bundesrepublik<br />
sich nicht aufrecht erhalten lässt und Unterschiede<br />
zum Qualtiätsmerkmal werden können?<br />
Nieheim hat als städtebauliche Tatsache Modellcharakter,<br />
der im Rahmen des Projektes Landschaft gedacht<br />
werden soll.<br />
Die Anforderungen und Chancen sind vielfältig:<br />
• Da sind die eingesessenen Bürger, für die Nieheim<br />
Heimat und Lebens und Arbeitsort ist.<br />
• Da sind junge Menschen, die Nieheim verlassen,<br />
weil sie keine Zukunft dort sehen.<br />
• Da sind Flüchtlinge, die neu ankommen und für die<br />
Nieheim ein Ort ist, an dem sie mehr oder weniger<br />
freiwillig sind, Heimat ist es nicht.<br />
• Da ist der beeeindruckende Landschaftsraum,<br />
der Potentiale bietet für die Entwicklung neuer<br />
Post-Wachstums-Ökonomien und Lebensstile, die<br />
landschaftsbasiert und fortwärtsgewandt sind.<br />
• Was fehlt, sind Ideen, Konzepte, Utopien für<br />
die Zukunft Nieheims, die nicht aus der Sicht<br />
der klassischen Wachstumsstrategien entstehen.<br />
Stattdessen gilt es, neue Fragen zu stellen,<br />
mutig und ehrlich über eine Zukunft Nieheims<br />
nachzudenken.<br />
Nieheim bietet alle Potenziale für eine innovative,<br />
experimentelle Auseinandersetzung mit der Frage<br />
wie Landschaft, Freiraum, öffentlicher Raum ein innovatives<br />
zusammenhängendes Raumgefüge bilden<br />
können, das zu vielfältigen Nutzungen einlädt. In Nieheim<br />
sollte untersucht werden, wie Landschaftsraum<br />
Einfluss nehmen kann, auf städtisches und/ oder<br />
ländliches Leben.