UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Bouches-du-Rhône Ist es eine Festung? Ein Schloss? Ein religiöses Gebäude? Alles gleichzeitig? Schon aus der Ferne betrachtet, stellt man sich bei der Abbaye de Montmajour viele Fragen. Nur wenige Kilometer von der Stadt Arles entfernt – zu der die Abtei im Übrigen gehört – zieht ihre isolierte Lage unweigerlich die Blicke auf sich: Inmitten einer ausgedehnten Ebene – trockengelegtes Sumpfland – überragt ihre Silhouette die Landschaft. Egal, aus welcher Richtung man sich ihr nähert, sie beeindruckt, wirkt unglaublich imposant. Auf der kleinen Straße, die vom Dorf Fontvieille zur Abbaye de Montmajour und weiter nach Arles führt, ist der Eindruck noch stärker. Hinter einer Kurve taucht die Abtei in ihrer ganzen Pracht auf, erhaben und geheimnisvoll, als wolle sie sich ganz dicht an den Felsen – den « Mont Majour » – schmiegen, mit dem sie seit knapp acht Jahrhunderten nahezu eine Einheit bildet. Menschen hierher. Die Wallfahrt fand immer am 3. Mai statt und trug nicht unwesentlich zum Reichtum der Abtei bei, wodurch diese sich weiter ausdehnen konnte. Im 12. Jahrhundert ließen die Mönche in unmittelbarer Nähe der Abtei die hübsche Chapelle reliquaire Sainte-Croix im reinsten romanischen Stil errichten. Dorthin brachten sie die wertvolle Reliquie während der Wallfahrten (in der restlichen Zeit wurde sie im Salle du Trésor verwahrt) und konnten die Pilger und Getreuen unter optimalen Bedingungen empfangen. Ein Turm zur Verteidigung Ende des 13. Jahrhunderts waren der Ruf und die Macht von Montmajour auf ihrem Höhepunkt. Nicht nur in spiritueller, sondern auch in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht erstreckte sich ihr Einfluss über ein ausgedehntes Gebiet, das von Grenoble (Isère) bis zum Mittelmeer reichte. Es lag daher nahe, dass die Abtei auch Begehrlichkeiten hervorrief. Dies ging so weit, dass man sie während des Hundertjährigen Krieges schützen musste. Durch den Bau einer Festungsmauer und eines 26 m hohen Turmes, dem Tour Pons de l’Orme, wurde sie daher befestigt. Besonders aus der Ebene wirkt der Turm beeindruckend. Heute haben die Besucher von dort aus einen herrlichen Panoramablick über die Umgebung. Damit hätte die Geschichte enden können. Dass dies nicht so ist, wird bei der Besichtigung klar, denn die architektonischen Stile zeugen von der Fortsetzung der Entwicklung … Vorherige Doppelseite: Blick auf die Abtei von ihrem höchsten Punkt, dem 26 m hohen Tour Pons de l’Orme. Oben: der Kreuzgang. Rechte Seite: Ob in der Ermitage Saint-Pierre, einer halb in den Fels gehauenen, präromanischen Kapelle, die gleichzeitig den ältesten Teil der Abtei darstellt (im Vordergrund), oder auf dem ab 1369 errichteten Tour Pons de l’Orme: Auf jeder Ebene dieses Ortes unternimmt man eine Reise durch die Vergangenheit. Die Reliquie des « Wahren Kreuzes » Betritt man dann Montmajour, erreicht die Verblüffung ihren Höhepunkt. Es gibt nur wenige Orte, bei denen man sich so schnell über die Vergänglichkeit der Zeit und die Abfolge der Epochen bewusst wird. Die Abtei wurde 948 von Benediktinermönchen gegründet, die zunächst nur die bescheidene Ermitage Saint-Pierre bauten – eine in der Provence einzigartige, halb in den Fels gehauene präromanische Kapelle. In der Folge vergrößerte sich das Kloster durch eine Abteikirche. Die Reliquie des « Wahren Kreuzes » in der Krypta zog damals viele Pilger an und machte den Ruf von Montmajour aus. Für die Pèlerinage du Pardon kamen über Jahrhunderte unzählige Das « Schloss der Mönche » Im 17. Jahrhundert waren Mönche der Congrégation de Saint-Maur, der Ordensgemeinschaft der Mauriner, über eine, wie sie es nannten, « nachlassende Strenge » der Abtei besorgt. Sie verjagten die Benediktiner und ließen sich selbst dort nieder, um ein gottesfürchtiges Klosterleben zu führen, was wiederum den Menschen in Arles nicht sehr gefiel. Die neuen Mönche errichteten ein weiteres Kloster, das Monastère Saint-Maur, das in der Gegend schnell als « Schloss der Mönche » bezeichnet wurde, da es so imposant erschien. Mit seiner Architektur, die Monumentalität und Funktionalität verband, wirkte es in der Tat wie ein regelrechter Palast. Für die Mauriner war das aber nichts Ungewöhnliches, denn die neuen Gebäude und Gärten mussten die Bedürfnisse des täglichen Lebens und des Klosterlebens erfüllen: ein Schlafraum zum Ruhen, eine Bibliothek für die geistige Arbeit, Gärten, eine Bäckerei und eine Küche. Für das liturgische Leben nutzten die Ordensbrüder weiterhin die Abteikirche aus dem Mittelalter. 50 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
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