Nr. 79 - Sommer 2021
Île de Port-Cros: ein regelrechtes Juwel Freizeitparks: Familienerlebnisse in Frankreich Abbaye de Montmajour: durch die Vergangenheit der Provence Amiens: Gartenfestival im "Venedig des Gemüses" Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune Debatte: Sacé-Cœur schützen oder abreißen ? Rezept: Soufflé d'été au basilic
Île de Port-Cros: ein regelrechtes Juwel
Freizeitparks: Familienerlebnisse in Frankreich
Abbaye de Montmajour: durch die Vergangenheit der Provence
Amiens: Gartenfestival im "Venedig des Gemüses"
Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune
Debatte: Sacé-Cœur schützen oder abreißen ?
Rezept: Soufflé d'été au basilic
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FRANKREICH HEUTE Geschichte<br />
die am 21. Mai 1871 ihren Höhepunkt finden. In dieser<br />
Zeit dringen die Regierungstruppen vom Südwesten bis<br />
in den Pariser Nordosten vor. Viertel um Viertel. Es ist ein<br />
buchstäbliches Gemetzel. Die Armee schießt gnadenlos<br />
auf Männer, Frauen und Kinder. Doch die Kommunarden<br />
setzen sich zur Wehr. Am Ende steht eine dramatische<br />
Bilanz: Die Zahl der Toten wird auf 20 000, die Zahl der<br />
Gefangenen auf 40 000 geschätzt. Letztere werden an<br />
Die heftigen Kämpfe und die Feuer während der « blutigen Woche »<br />
hinterließen tiefe Spuren in Paris, wie unter anderem diese<br />
Fotografien von der Rue de Rivoli und dem Rathaus zeigen.<br />
Orte gebracht, die weit von der Hauptstadt entfernt sind.<br />
Die letzten Soldaten der Pariser Kommune – 147 sind es<br />
genau – werden von der Armee aus Versailles auf dem<br />
Friedhof Père-Lachaise (XX. Arrondissement) am Fuß<br />
der sogenannten Mur des Fédérés (in der südöstlichen<br />
Ecke des Friedhofs) getötet. Diese Mauer symbolisiert<br />
noch heute den Kampf der Kommunarden für ihre Ideale.<br />
In den darauffolgenden Wochen und Monaten werden<br />
ungefähr 80 weitere gefangengenommene Kommunarden<br />
ohne Gerichtsverfahren exekutiert, während mehrere<br />
Tausend andere – darunter Louise Michel – nach Neukaledonien<br />
deportiert werden. Die Bilanz ist also erschütternd,<br />
das auf beiden Seiten vergossene Blut hinterlässt<br />
tiefe Spuren in der französischen Gesellschaft. Dennoch<br />
wird sehr schnell ein Aufruf zur Vereinigung laut, vor<br />
allem durch die in der Folge berühmt gewordenen Verse<br />
von Victor Hugo, der sich für eine nationale Versöhnung<br />
starkmacht:<br />
« Soldaten! Soldaten! Was wollt ihr?<br />
Was! Auf der einen Seite Frankreich<br />
und auf der anderen Seite Frankreich!<br />
Hört auf! Aus eurem Erfolg entsteht die Trauer. »<br />
(Victor Hugo, L’année terrible)<br />
Jedem ist klar, dass eine Versöhnung mit einer gesetzlich<br />
verhängten Amnestie für die Kommunarden<br />
verbunden ist. Diese wird in zwei Abstimmungen (18<strong>79</strong><br />
und 1880) beschlossen. Damit haben die Franzosen das<br />
Gefühl, dass sie « das Kapitel abschließen » können.<br />
Starke Symbolwirkung versus reale Tragweite<br />
Heute eine Bilanz dieser Ereignisse zu ziehen, ist für<br />
die Franzosen keine einfache Angelegenheit und Anlass<br />
für Unstimmigkeiten. Die Pariser Kommune überdauerte<br />
einerseits nur 72 Tage, doch in diesen etwas mehr als zwei<br />
Monaten gelang den Menschen in Paris die Umsetzung<br />
einer politischen und sozialen Erfahrung, die von einer<br />
ungeheuren Modernität geprägt war. Das historische, politische<br />
und ideologische Vermächtnis ist also beträchtlich.<br />
Zweifellos hat diese Zeit die Gemüter geprägt. Allerdings<br />
dauerte die Zeit der Pariser Kommune nicht lange genug<br />
an, als dass sie « sich bewähren », tatsächliche Veränderungen<br />
in der französischen Gesellschaft herbeiführen<br />
konnte. Die « reale Tragweite » ist also viel schwieriger zu<br />
messen. Umso mehr, da diese Revolution im Gegensatz<br />
zu anderen – zum Beispiel die Russische Revolution oder<br />
auch die Französische Revolution – keine Zeit hatte, die<br />
Menschen zu enttäuschen, da sie nur ein sehr kurzlebiges<br />
« Intermezzo » in der Geschichte des Landes war. All<br />
das macht die Analyse nicht einfach. Diese Schwierigkeit<br />
trat bei den jüngsten Debatten über die Organisation der<br />
Gedenkfeiern anlässlich des 150. Jahrestages deutlich<br />
ans Tageslicht. Die Rechte betrachtet diese Zeit zwar<br />
als eine interessante Periode im Hinblick auf die sozialen