Nr. 79 - Sommer 2021
Île de Port-Cros: ein regelrechtes Juwel Freizeitparks: Familienerlebnisse in Frankreich Abbaye de Montmajour: durch die Vergangenheit der Provence Amiens: Gartenfestival im "Venedig des Gemüses" Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune Debatte: Sacé-Cœur schützen oder abreißen ? Rezept: Soufflé d'été au basilic
Île de Port-Cros: ein regelrechtes Juwel
Freizeitparks: Familienerlebnisse in Frankreich
Abbaye de Montmajour: durch die Vergangenheit der Provence
Amiens: Gartenfestival im "Venedig des Gemüses"
Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune
Debatte: Sacé-Cœur schützen oder abreißen ?
Rezept: Soufflé d'été au basilic
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
FRANKREICH HEUTE Ce qui fait débat<br />
Soll man die Basilika Sacré-Cœur<br />
in Paris schützen oder abreißen?<br />
Man sagt, dass Franzosen Querulanten seien,<br />
dass sie immer etwas zu nörgeln hätten. Klischee<br />
oder Realität? Eines ist auf jeden Fall sicher: Sie<br />
diskutieren gerne. Manchmal auch über Themen,<br />
die vielleicht eher unangebracht oder sogar überflüssig<br />
erscheinen. Weil solche Debatten im Endeffekt<br />
aber viel über die Franzosen aussagen und<br />
wir uns oft darüber amüsieren, wollen wir in dieser<br />
Rubrik auf ausgefallene Diskussionen eingehen,<br />
die, von außen betrachtet, vielleicht etwas<br />
seltsam erscheinen, in Frankreich aber für Gesprächsstoff<br />
sorgen. Ein in der jüngsten Zeit sehr<br />
umstrittenes Thema steht beispielsweise in einer<br />
engen Verbindung mit dem Artikel über die Pariser<br />
Kommune in dieser Ausgabe: Es geht dabei<br />
um die Frage, ob man die Basilika Sacré-Cœur<br />
von Paris schützen oder abreißen soll …<br />
Partizipative Demokratie » ist heutzutage « in », und<br />
das nicht nur in Paris. Vor einigen Jahren hat die<br />
« Stadtverwaltung daher eine Website eingerichtet,<br />
auf der die Pariser Anregungen für Investitionen geben<br />
können, die ihr Viertel oder die Hauptstadt als solche betreffen.<br />
Dafür wird ein sogenanntes Budget municipal participatif<br />
bereitgestellt. Obwohl diese Möglichkeit prinzipiell<br />
positiv aufgenommen wurde, war eine richtige Begeisterung<br />
bisher nicht zu spüren, zumal der Begriff « Bürgerhaushalt<br />
» ja auch nicht gerade sehr « prickelnd » klingt …<br />
Doch urplötzlich sorgt diese Initiative nun für Gesprächsstoff,<br />
da ein Bewohner des XVIII. Pariser Arrondissements<br />
– vielleicht mit einem etwas spöttischen Hintergedanken –<br />
folgenden Vorschlag machte: « Sacré-Cœur ist ein Versailler<br />
Schandfleck, der das Andenken an die Pariser Kommune<br />
befleckt. Das Projekt besteht in einem vollständigen<br />
Abriss der Basilika im Rahmen eines großen Volksfestes. »<br />
Überrascht es, dass die Stadtverwaltung diesen Vorschlag<br />
sofort für « unzulässig » erklärt hat? Was den Urheber des<br />
Vorschlags wiederum nicht wirklich erstaunt, denn der<br />
Spaßvogel gestand auf dem Sender France Info, seinen Vorschlag<br />
eher als « Scherz » eingereicht zu haben und damit<br />
vor allem « die Grenzen der Ausübung lokaler Demokratie<br />
aufzeigen » zu wollen.<br />
In anderen Zeiten hätte man die Sache damit vermutlich<br />
auf sich beruhen lassen. Doch wir leben im Jahr<br />
<strong>2021</strong>, in dieser angeblich so « großartigen » Zeit, in der<br />
ein simpler « Scherz » – noch dazu ein eher sympathischer<br />
– sich durch Internet und soziale Netzwerke wie<br />
durch Zauberhand in ein Gerücht verwandelt, das sich<br />
wie ein Lauffeuer verbreitet und außer Kontrolle gerät.<br />
Und genau das ist passiert. Innerhalb weniger Stunden<br />
wurde dieser « flapsige » Vorschlag unzählige Male aufgenommen,<br />
geteilt, « geliked », ... wie man das in der<br />
« Internetsprache » heute nennt. Es entstand ein regelrechter<br />
Medienhype … Was ja, ehrlich gesagt, nicht erstaunlich<br />
ist, wie jeder regelmäßige Nutzer der sozialen<br />
Netzwerke bestätigen wird. Den Abriss von Sacré-Cœur<br />
vorzuschlagen, dieser Basilika, die untrennbar mit dem<br />
Stadtbild verbunden ist und auf dem höchsten Punkt<br />
der Hauptstadt, auf dem Montmartre-Hügel, liegt!<br />
Unmöglich! Es zu wagen, an diesem legendären, nach<br />
Notre-Dame meistbesuchten Monument der Hauptstadt<br />
zu rühren! Auf gar keinen Fall! Sich an dieser international<br />
bekannten Basilika zu vergreifen, die noch dazu<br />
mit dem so romantischen Gesicht der Amélie Poulain<br />
assoziiert wird! Wie kann man auf so einen Gedanken<br />
kommen! Kein Wunder, das daraus umgehend eine heftige<br />
Debatte entstanden ist …<br />
Da Sacré-Cœur in Paris schon seit Langem in mehrfacher<br />
Hinsicht in der Kritik steht, bietet die Affäre nun<br />
eine gute Möglichkeit, diese anzubringen. Das geht mit<br />
der Architektur los, die – das ist kein Geheimnis – nicht<br />
wenigen ein echter Dorn im Auge ist. Insofern ist es auch<br />
kein Zufall, dass dieses Gebäude von vielen Einwohnern<br />
schon immer mit Spitznamen wie Pâtisserie de la Butte,<br />
Chou à la Crème oder auch Notre-Dame de la Galette bedacht<br />
wurde. Diese nicht sehr schmeichelhaften Bezeichnungen<br />
spielen auf die üppigen, runden Formen und die<br />
von Weitem sichtbare weiße Farbe der Basilika an, die<br />
eher an einen schwer verdaulichen Kuchen als an eine<br />
religiöse Stätte erinnert. Aber wegen einer umstrittenen<br />
Ästhetik gleich einen Abriss ins Auge zu fassen? Nein, die<br />
Gründe für diesen radikalen Vorschlag liegen woanders.<br />
Was man Sacré-Cœur in diesem Fall vorwirft, ist der<br />
Zweck, warum sie ab 1875 überhaupt gebaut wurde. Dadurch<br />
wird, wie der Pariser Bürger es in seinem Vorschlag<br />
an die Stadtverwaltung formulierte « das Andenken an die<br />
Pariser Kommune beschmutzt ».<br />
80 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>