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Nr. 79 - Sommer 2021

Île de Port-Cros: ein regelrechtes Juwel Freizeitparks: Familienerlebnisse in Frankreich Abbaye de Montmajour: durch die Vergangenheit der Provence Amiens: Gartenfestival im "Venedig des Gemüses" Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune Debatte: Sacé-Cœur schützen oder abreißen ? Rezept: Soufflé d'été au basilic

Île de Port-Cros: ein regelrechtes Juwel
Freizeitparks: Familienerlebnisse in Frankreich
Abbaye de Montmajour: durch die Vergangenheit der Provence
Amiens: Gartenfestival im "Venedig des Gemüses"
Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune
Debatte: Sacé-Cœur schützen oder abreißen ?
Rezept: Soufflé d'été au basilic

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Um das besser zu verstehen, muss man ins Jahr 1871<br />

zurückblicken. Die neue Französische Republik unterzeichnete<br />

damals den Waffenstillstand mit Preußen. Einen<br />

Frieden, den die Pariser als demütigend empfanden<br />

und kategorisch ablehnten. Sie gründeten daher die Pariser<br />

Kommune, die nach kürzester Zeit durch die Armee aus<br />

Versailles während der « blutigen Woche » vom 21. bis 28.<br />

Mai 1871 mit einem Massaker beendet wurde. 1873, also<br />

zwei Jahre später, betrachtete der neue Staatspräsident, der<br />

ultrakonservative General Mac-Mahon (1808-1893), den<br />

Aufstand der Pariser immer noch als ungeheuren Affront.<br />

In diesem Kontext fiel die Entscheidung für den Bau von<br />

Sacré-Cœur. Die mehrheitlich mit Konservativen und<br />

Mitgliedern des Klerus besetzte Nationalversammlung<br />

beschloss, auf dem Montmartre-Hügel ein religiöses Gebäude<br />

errichten zu lassen, um « die der Kommune zur Last<br />

gelegten Sünden zu sühnen ». Die Praxis, Gott auf diesem<br />

Weg um Vergebung zu bitten, war zur damaligen Zeit<br />

üblich und sehr verbreitet. Erstmals davon gesprochen<br />

hatte der Pariser Ladenbesitzer und konservative Katholik<br />

Alexandre Legentil (1821-1889): Bereits 1871 hatte er<br />

feierlich geschworen, man würde auf dem Montmartre-<br />

Hügel eine Basilika errichten, um Gottes Vergebung zu<br />

erhalten, da seiner Ansicht nach alle Übel Strafen seien,<br />

mit denen Gott die Sünden der Menschen sanktionieren<br />

wolle. Zwei Jahre später nahm die Nationalversammlung<br />

diesen Gedanken also wieder auf und beschloss die Errichtung<br />

von Sacré-Cœur. Um den Eindruck noch zu verstärken,<br />

wurde der Montmartre-Hügel als Ort bestimmt,<br />

genau dort, wo im März 1871 der Aufstand begann, der<br />

zur Bildung der Kommune führte. Polemischer geht es<br />

kaum! Die Basilika konnte diese ideologische Rechtfertigung<br />

für ihren Bau niemals loswerden, und wurde von da<br />

an von vielen Parisern als Beleidigung der Erinnerung an<br />

die Kommunarden betrachtet. Grund genug also, vonseiten<br />

der extremen Linken die Diskussion um den Abriss<br />

regelmäßig anzufachen, sozusagen als radikales Mittel,<br />

um die Versailler nicht mehr zu feiern.<br />

Als sei das alles noch nicht genug, geht die Debatte um<br />

Sacré-Cœur aber noch weiter. Im Oktober 2020 beschloss<br />

die regionale Kommission für Architektur und Kulturerbe<br />

einstimmig, « die Formalitäten in Angriff zu nehmen, um<br />

das Gebäude bis <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> [als Monument historique]<br />

klassifizieren zu lassen ». Dies wäre insofern willkommen,<br />

da eine solche Klassifizierung mit höheren Fördermitteln<br />

für die Erhaltung und Restaurierung verbunden ist. Doch<br />

weil die Franzosen Debatten lieben, facht die Initiative<br />

umgehend den alten Zwist zwischen einer Linken – die<br />

sich darüber empört, wie man einem ihrer Meinung nach<br />

deplatzierten und reaktionären Monument ein solches<br />

Geschenk machen kann – und einer Rechten – deren Ansicht<br />

nach das Gebäude zum nationalen Kulturerbe gehört<br />

und damit Anspruch darauf hat, geschützt zu werden –<br />

wieder an … Und die Pariser, die zum überwiegenden Teil<br />

zwischen diesen beiden Lagern stehen, haben im Endeffekt<br />

ihren Spaß an den endlosen Diskussionen. Sie wissen<br />

nur zu gut, dass Sacré-Cœur zum Bild der Stadt gehört<br />

und haben das Gebäude in gewisser Weise ins Herz geschlossen.<br />

Vielleicht ganz besonders aus dem Grund, weil<br />

es Anlass zu polemischen Diskussionen gibt.<br />

Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 81

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