Pieks_2021_02_26
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Interview: Iunia Mihu<br />
FOTO: CHRISTIAN FISCHER/HELIOS KLINIKUM ERFURT GMBH, GETTY IMAGES (3)<br />
Corona hält die Welt in Atem, bestimmt<br />
unser aller Dasein. Im Kampf um Leben<br />
stehen Ärzte, Krankenschwestern und<br />
Pfleger an vorderster Front. Gefordert<br />
sind jetzt aber auch Apotheker, insbesondere<br />
Krankenhausapotheker, sind sie doch zuständig<br />
für die Lagerung und Vorbereitung des Corona-<br />
Impfstoffs. Einer von ihnen ist Dominic Fenske,<br />
Apotheker mit Leib und Seele am Helios-<br />
Klinikum in Erfurt. Bei ihm in der Apotheke<br />
lagern die Ampullen. Mehr als 200 Impfdosen<br />
ziehen er und sein Team derzeit pro Tag<br />
in der Spritze auf. Er könne die Skepsis in der<br />
Be völkerung durchaus verstehen, sagt er. Warum<br />
er dennoch den Impfstoff mit der Abkürzung<br />
mRNA (Boten-RNA, siehe auch Seite 38)<br />
empfiehlt und vor welchen Herausforderungen<br />
er steht, darüber spricht der promovierte Apotheker<br />
im Interview.<br />
pieks: Herr Dr. Fenske, wie hat sich Ihr<br />
Arbeitsalltag als Apotheker seit Ausbruch<br />
der Coronapandemie verändert?<br />
Dominic Fenske: Covid-19 hält uns die ganze<br />
Zeit in Atem. Angefangen hat es mit Lieferschwierigkeiten<br />
für bestimmte Arzneimittel<br />
wie Narkotika und Schmerzmittel, die auf der<br />
Intensivstation gebraucht werden. Das haben<br />
wir inzwischen gemeistert, aber wir müssen<br />
uns weiterhin um die Nachlieferung kümmern.<br />
Plötzlich mussten wir – wie fast alle Apotheken<br />
in Deutschland – in großen Mengen Handdesinfektionsmittel<br />
herstellen, weil es nicht genug<br />
davon gab. Schließlich hatten wir mit<br />
der Beschaffung der ersten Antigen-Tests gut<br />
zu tun, und heute ist es der ersehnte Impfstoff<br />
– langweilig wird uns nicht.<br />
Als eine der großen Herausforderungen beim<br />
Impfstoff wird immer wieder dessen Lagerung<br />
erwähnt. Der Biontech-Impfstoff wird meist<br />
auf Trockeneis transportiert und muss anschließend<br />
bei minus 70 Grad Celsius gelagert<br />
werden. Der Moderna-Impfstoff hingegen<br />
braucht es nicht ganz so kalt. Wie schwierig ist<br />
die Lagerung und Aufbewahrung des Impfstoffs<br />
in der Praxis wirklich?<br />
Ehrlich gesagt hört sich das komplizierter an,<br />
als es ist. Ich plädiere für mehr Gelassenheit.<br />
Man muss zwar etwas aufpassen, aber jeder<br />
ausgebildete Apotheker kann mit diesen Bedingungen<br />
umgehen. Wir haben schon vor dem<br />
Biontech-Impfstoff mit Trockeneis gearbeitet,<br />
wenn zum Beispiel bestimmte Laborartikel<br />
bei minus 70 Grad Celsius gekühlt werden müssen,<br />
bis sie eingesetzt werden. Wenn der Impfstoff<br />
per Frachtflug transportiert werden muss,<br />
ist das natürlich eine ganz andere Hausnummer,<br />
aber für mein kleines Apotheken-Biotop<br />
hier in Erfurt ist das gut machbar.<br />
Die größte Herausforderung vor allem beim Impfstoff von Biontech ist der Transport bei Minusgraden. Ist er<br />
einmal in den Zentren oder Apotheken angekommen, macht die Handhabung den Profis keine Probleme mehr<br />
Dennoch muss es dann schnell gehen. Wie läuft<br />
das konkret ab, wenn der Impfstoff bei Ihnen in<br />
der Krankenhausapotheke ankommt?<br />
Der Impfstoff von Biontech wird aus dem Ultratiefkühlschrank<br />
herausgenommen. Dann<br />
muss er bei zwei bis acht Grad gehalten werden<br />
und ist noch 120 Stunden verwendbar, also<br />
fünf Tage lang. Wenn man ihn dann aus dem<br />
Kühlschrank herausnimmt, um ihn zu verdünnen<br />
und zu verabreichen, hat man noch einen<br />
Spielraum von circa sechs Stunden. Innerhalb<br />
dieser sechs Stunden muss er gespritzt werden.<br />
DR. DOMINIC FENSKE<br />
Leiter der Krankenhausapotheke<br />
am Helios-Klinikum in Erfurt<br />
Dominic Fenske (47) ist Apotheker<br />
mit den beruflichen Schwerpunkten<br />
Mikrobiologie und Kardiologie.<br />
Er studierte in seiner Heimatstadt<br />
Bonn. Seine Promotion hat er an der<br />
Universität Mainz abgelegt. Als<br />
Leiter der Apotheke und des Zentralen<br />
Dienstes Apotheke verantwortet<br />
er die Pharmazie bei Helios und<br />
koordiniert die Entwicklung aller<br />
Helios-Apotheken.<br />
Und wie ist die Handhabung beim Moderna-<br />
Impfstoff?<br />
Der Impfstoff von Moderna ist da eine Nummer<br />
einfacher, weil er nur bei minus 20 statt minus<br />
70 Grad gelagert werden muss. Das schaffen<br />
normale Tiefkühlschränke, wie sie im Haushalt<br />
üblich sind. Er ist auch ein bisschen robuster,<br />
wenn man ihn bei normaler Kühlschranktemperatur<br />
oder bei Raumtemperatur lagert.<br />
Auch ist er gleich fertig für die Anwendung.<br />
Man muss ihn also nicht verdünnen, sondern<br />
bringt ihn auf Raumtemperatur und zieht ihn<br />
direkt mit der Spritze aus der Ampulle auf. Aber<br />
auch hier muss man sagen: Ein Arzneimittel<br />
zu nehmen und es mit einer anderen Lösung<br />
zu verdünnen ist für eine Pflegekraft in der<br />
Praxis ein ganz normaler Vorgang. Dafür sind<br />
die Kollegen ausgebildet. Der Zwischenschritt<br />
mit der Verdünnung ist kein Hindernis – es ist<br />
einfacher, wenn man es nicht machen muss,<br />
aber es ist kein Knock-out-Kriterium. Auch da<br />
empfiehlt sich mehr Gelassenheit.<br />
Viele Menschen sind unsicher und fragen sich,<br />
ob sie einem so schnell zugelassenen Impfstoff<br />
wirklich trauen können. Normalerweise<br />
dauert es viele Jahre, bis ein Impfstoff erprobt<br />
ist – hier hingegen nur wenige Monate.<br />
Ich kann die Unsicherheit absolut verstehen<br />
und will mich als Person da nicht ausnehmen.<br />
Die Impfstoffe von Biontech und Moderna, die<br />
sogenannten mRNA-Impfstoffe, sind ja vom<br />
Wirkprinzip her anders als die bisherigen, die<br />
wir kennen. Ich musste mich auch erst einmal<br />
informieren und für mich selbst prüfen, was<br />
davon zu halten ist. Aber ich bin inzwischen<br />
überzeugt und der Auffassung, dass dies ein<br />
sehr guter Weg ist, einen Impfstoff herzustellen.<br />
Um die Geschwindigkeit des Zulassungsverfahrens<br />
einordnen zu können, muss man<br />
verschiedene Dinge wissen. Ganz wichtig:<br />
Im europäischen Zulassungsverfahren wurde<br />
kein Schritt ausgelassen. Da wurde nichts<br />
übersprungen, nur damit es schneller geht.<br />
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