Pieks_2021_02_26
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
60 bis 70 Prozent<br />
der Bevölkerung<br />
müssen geimpft<br />
sein, um eine<br />
Herdenimmunität<br />
zu erreichen<br />
Vermehrungsprogramm – genau das macht sie<br />
so gefährlich. Das mögen die Viren, denn dadurch<br />
können sie sich in dieser Umgebung auch<br />
schneller vermehren“, erklärt Dittmer weiter.<br />
GENTECHNIK BEI HARMLOSEN VIREN<br />
Einen ähnlichen Trick nutzt etwa der Corona-<br />
Impfstoff des Herstellers AstraZeneca. Er<br />
verwendet harmlose Adenoviren als Transportmittel.<br />
„Gentechnisch wird ein Stück des SARS-<br />
CoV-2- Virus in die Adenoviren eingebaut. Wir<br />
impfen also mit einem harmlosen Virus, das<br />
dann eine Immunantwort auslöst. Die richtet<br />
sich auch gegen das gefährliche Coronavirus,<br />
weil ja ein Stück davon im Virus eingebaut<br />
wurde“, erklärt der Virologe. Vektor-Impfstoff<br />
nennt sich diese Art Vakzine.<br />
Grundsätzlich wird Impfen vor allem gegen<br />
Viren eingesetzt. Das Prinzip wirkt aber auch<br />
gegen einige durch Bakterien verursachte<br />
Krankheiten, zum Beispiel Tetanus, Diphtherie<br />
oder Keuchhusten. Gegen die meisten Bakterien<br />
wird allerdings nicht präventiv, sondern<br />
WORT DES JAHRES?<br />
Herdenimmunität<br />
kann schützen<br />
Wir begegnen ständig Viren und Bakterien,<br />
die hoch ansteckende und teilweise<br />
lebensbedrohliche Krankheiten auslösen<br />
können. Gegen manche Erkrankungen<br />
kann man sich mittels einer Impfung<br />
schützen. Wenn nur wenige Menschen<br />
geschützt sind, haben hoch ansteckende<br />
Krankheiten (etwa Masern) leichtes<br />
Spiel. Sie können sich dann rasend schnell<br />
verbreiten. Je mehr Menschen geimpft<br />
oder durch eine überstandene Erkrankung<br />
immun sind, desto weniger können sich<br />
anstecken. Man spricht dann von Herdenimmunität.<br />
Dabei schützen Geimpfte<br />
nicht nur sich selbst, sondern auch andere<br />
Menschen, vor allem „schwächere“,<br />
etwa Babys oder Menschen, deren Immunsystem<br />
nicht gut funktioniert.<br />
Grippeschutzimpfungen<br />
sind jährlich<br />
notwendig, weil<br />
Influenza viren mutieren<br />
und der Impfstoff angepasst<br />
werden muss.<br />
bei einer akuten Erkrankung mithilfe von<br />
Antibiotika vorgegangen.<br />
Für den Aufbau eines langfristigen Impfschutzes,<br />
der Grundimmunisierung, sind<br />
in vielen Fällen mehrere Impfungen nötig. Bei<br />
einigen Impfungen hält der Schutz dann ein<br />
Leben lang (Beispiel: Humane Papillomviren,<br />
kurz HPV). Andere hingegen müssen in zeitlichen<br />
Abständen aufgefrischt werden. Dadurch<br />
wird sozusagen die Erinnerung an den Erreger<br />
im Immunsystem aufrechterhalten. Tetanus<br />
und Keuchhusten zum Beispiel müssen alle zehn<br />
Jahre aufgefrischt werden.<br />
Viel öfter ist dies bei der Grippeschutzimpfung<br />
notwendig. Sie muss jedes Jahr verabreicht<br />
werden. Der Grund: Die Influenzaviren<br />
mutieren ständig. Deswegen ist es nötig, den<br />
Impfstoff jedes Jahr neu an die Mutanten<br />
anzupassen – die körpereigene Abwehr muss<br />
eine neue Reaktion trainieren.<br />
Wie lange der Impfschutz gegen SARS-CoV-2<br />
anhalten wird, lässt sich derzeit noch nicht<br />
abschätzen. Mediziner vermuten aber, dass ein<br />
Covid-19-Impfstoff regelmäßig geimpft werden<br />
muss – ähnlich wie bei Grippe. Angesichts<br />
der bereits registrierten Coronavirus-Mutanten<br />
erscheint das durchaus plausibel.<br />
Neben den aktiven Impfungen gibt es die<br />
Möglichkeit einer passiven Immunisierung.<br />
Ziel ist dabei, einen sofortigen Schutz aufzubauen,<br />
und zwar dann, wenn der Patient<br />
akut erkrankt ist. Der Arzt spritzt Antikörper,<br />
sodass das Immunsystem nicht erst lernen<br />
muss, wie es diese selbst bildet. Die Antikörper<br />
stammen in der Regel von Menschen, die etwa<br />
durch eine Schutzimpfung gegen die Krankheit<br />
immun sind. „Eine passive Impfung wird<br />
verabreicht, wenn der Körper bereits durch<br />
einen gefährlichen Erreger infiziert ist, etwa bei<br />
Tollwut durch einen Hundebiss. Diese Impfung<br />
wirkt schnell, hält aber nicht lange an, da das<br />
Immunsystem kein Gedächtnis ausbildet und<br />
sich die gespritzten Antikörper im Blut wieder<br />
abbauen“, sagt Ralf Suhr.<br />
DIE NEUE METHODE MIT BOTEN-RNA<br />
Die seit Dezember (Biontech/Pfizer) beziehungsweise<br />
Anfang Januar (Moderna) in<br />
Deutschland zugelassenen Covid-19-Impfstoffe<br />
funktionieren nach einem anderen – und<br />
ganz neuen – Prinzip. Bei diesen mRNA-Impfstoffen<br />
werden keine abgeschwächten oder<br />
toten Krankheitserreger oder deren Bestandteile<br />
(Antigene) benötigt, um im Körper eine Immunreaktion<br />
hervorzurufen. Vielmehr werden<br />
den menschlichen Zellen Teile der Erbinformation<br />
des Virus geliefert, die als Boten-RNA<br />
gespeichert sind, auf Englisch Messenger-RNA,<br />
kurz mRNA. Solche mRNA-Baupläne werden<br />
in den körpereigenen Zellen benutzt, um Proteine<br />
zu bilden. Der Impfstoff bewirkt den Bau<br />
eines Coronavirus-Bestandteils, nämlich des<br />
stacheligen Spike-Proteins an dessen Oberfläche.<br />
Darauf reagiert das Immunsystem und<br />
erlernt eine Abwehrmethode: Kommt später das<br />
echte Virus in den Körper, blockieren Antikörper<br />
seine Oberfläche und damit seine Funktion.<br />
Ein großer Vorteil der mRNA-Impfstoffe: Sie<br />
lassen sich binnen weniger Wochen an Mutationen<br />
eines Virus anpassen; auch eine erneute<br />
Zulassung mit vollem Erprobungsprogramm<br />
ist dann nicht erforderlich. So hat sich das<br />
stachelförmige Spike-Protein an der Oberfläche<br />
des Coronavirus bereits bei Mutationen<br />
aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien<br />
verändert und ist ansteckender geworden.<br />
Bislang funktionieren die Impfstoffe dennoch,<br />
aber wenn die Veränderung zu groß ist, könnte<br />
man das veränderte Virus-Erbgut relativ leicht<br />
in eine neue mRNA-Impfstoffvariante einbauen<br />
und so die Wirksamkeit sichern.<br />
Unter Medizinern ist die Hoffnung groß,<br />
dass die mRNA-Methode in naher Zukunft<br />
Basis für Impfstoffe sein kann, die weitere<br />
Krankheiten eindämmen. Ganz oben auf der<br />
Liste: Krebs.<br />
01/<strong>2<strong>02</strong>1</strong> 43