Pieks_2021_02_26
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Begegnung mit dem Krankheitserreger. Ohne<br />
Impfung wäre das Immunsystem im Falle einer<br />
Infektion völlig unvorbereitet – und hätte oft<br />
keine Chance.<br />
Ob gegen Pocken, Tetanus, Masern oder<br />
Covid-19: Jede Impfung löst im Körper eine<br />
Immunantwort aus, die ihn nachhaltig vor<br />
der Krankheit schützt. Impfstoffe präsentieren<br />
der Abwehr den Feind in Form von abgeschwächten<br />
oder abgetöteten Erregern, ihren<br />
Bestandteilen oder einem Bauplan dafür (für<br />
eine genaue Beschreibung der Wirkung siehe<br />
Seite 38). Das bewirkt, dass der Körper Antikörper<br />
bildet und sich später Gedächtniszellen<br />
an den Eindringling erinnern, wenn es einmal<br />
ernst wird – um dann schnell zurückschlagen<br />
zu können.<br />
Seit es Impfungen gibt, kommen Infektionskrankheiten<br />
wie Diphtherie heute kaum mehr<br />
vor (siehe Grafik rechts). Während der „Würgeengel<br />
der Kinder“, wie die Erkrankung früher<br />
hieß, 1943 in Deutschland noch 245 000 Menschen<br />
heimsuchte, erkrankten 1964, kurz nach<br />
Einführung flächendeckender Impfungen,<br />
nur noch weniger als 1000. Die Masernimpfung<br />
hat die Kindersterblichkeit in ärmeren<br />
Ländern um bis zu 90 Prozent reduziert. Und<br />
Tetanus, der gefürchtete „Wundstarrkrampf “,<br />
der Betroffenen das „Teufelsgrinsen“ ins Gesicht<br />
treibt und ihnen durch Muskelkrämpfe sogar<br />
das Rückgrat brechen kann, ist zwar in Entwicklungsländern<br />
noch mitverantwortlich für<br />
hohe Säuglingssterblichkeit, sonst aber weitestgehend<br />
ausgemerzt.<br />
DER NESTSCHUTZ IST SCHNELL WEG<br />
Schon Babys zu impfen ist wichtig. Nur in ihren<br />
ersten Lebensmonaten verfügen sie über den<br />
sogenannten Nestschutz. Diese „Leihimmunität“<br />
von der Mutter bewahrt sie vor vielen Krankheitserregern,<br />
bis sich das kindliche Immunsystem<br />
entwickelt hat. Der Nestschutz geht jedoch<br />
nach und nach verloren. Deshalb empfiehlt die<br />
STIKO die erste Impfung – gegen Rotaviren –<br />
im Alter von sechs Wochen (siehe Seite 84).<br />
Weiter geht es in der neunten Lebenswoche mit<br />
einem Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie,<br />
Hepatitis B, Haemophilus influenzae, Keuchhusten,<br />
Kinderlähmung (Polio) und Tetanus.<br />
„Ziel ist, dass die Grundimmunisierung mit<br />
15 Monaten abgeschlossen ist“, erklärt Kinderund<br />
Jugendarzt Terhardt. Oft seien Kinder<br />
aber erst mit zwei bis sechs Jahren komplett geimpft,<br />
zum Beispiel weil sie zum Arzttermin<br />
Schnupfen hatten oder die Eltern den Zeitpunkt<br />
verpasst haben. „Zu oft sollte man die Termine<br />
nicht verschieben“, mahnt der Berliner Impfexperte.<br />
Jenen, die Sorge haben, ihre Kinder<br />
seien zu klein für eine Impfung, sagt Terhardt:<br />
„Das stimmt so nicht. Die Kinder sind viel eher<br />
zu klein für die Erkrankung.“<br />
Auch Judith Heinze machte sich große<br />
Sorgen, dass ihre Töchter mit ein paar Mona-<br />
DIPHTHERIE<br />
Anzahl der jährlich registrierten Fälle von Diphtherie<br />
in Deutschland nach Bundesländern im Jahr 2018<br />
Weil Polio, Tetanus, Diphtherie & Co. kaum vorkommen, verlieren sie ihren Schrecken: Wer nie ein Kind mit<br />
Diphtherie ersticken sah, dem erscheint das Impfrisiko mitunter größer als die Gefahr, sich anzustecken.<br />
Dabei ist die Gefahr einer Ansteckung auch in Deutschland immer noch real. Quelle: RKI/Statista <strong>2<strong>02</strong>1</strong><br />
ten noch zu klein zum Impfen seien. „Ich war<br />
immer schon total skeptisch und habe nur<br />
Medikamente genommen, wenn es unbedingt<br />
nötig war. Als unsere Tochter Paula auf der<br />
Welt war, hat uns der Kinderarzt erklärt, was<br />
wir unbedingt impfen müssen. Das haben wir<br />
dann gemacht – aber so spät wie möglich.“<br />
Während die zweifache Mutter eher vorsichtig<br />
ist, „hätte mein Mann wahrscheinlich alles<br />
sofort so impfen lassen, wie es die STIKO<br />
empfiehlt“.<br />
Er sei eher der statistische Typ, bestätigt<br />
Tobias Heinze, der Vater der mittlerweile elfjährigen<br />
Paula und ihrer kleinen Schwester Juna:<br />
„Klar gibt es Impfschäden, ganz schlimme sogar.<br />
Und wenn sie dein eigenes Kind betreffen,<br />
bist du mit Recht der größte Impfgegner. Aber<br />
trotzdem: Wenn von einer Million Kinder eines<br />
einen Impfschaden hat, dann sind 999 999 Kinder<br />
durch die Impfung ihr Leben lang gesund.“<br />
Als es bei der älteren Tochter Paula ans Impfen<br />
ging, wurde deutlich, dass die Eltern bei diesem<br />
Thema nicht immer einer Meinung sind.<br />
„Wir sind beide für das Impfen, aber unsere<br />
Herangehensweise ist unterschiedlich“, sagt der<br />
Vater, der Ingenieur ist und als Triathlontrainer<br />
arbeitet. „Weil ich selbst wenig Ahnung von<br />
Medizin habe, vertraue ich den Experten blind.<br />
Und wenn die sagen, diese Sechsfachimpfung<br />
für Babys sei gut, dann lasse ich die bei meinen<br />
Kindern machen.“<br />
SECHSFACHIMPFUNG ALS ROTES TUCH<br />
Die Sechsfachimpfung, die die jüngere Tochter<br />
Juna bekommen sollte, war für Mutter Judith<br />
Heinze dagegen ein rotes Tuch. „Für mein<br />
Gefühl war ja schon der Dreifachimpfstoff bei<br />
Paula damals zu viel. Ich dachte: Das machen<br />
wir auf gar keinen Fall!“ Die 40-Jährige fürchtete,<br />
dass Baby Juna noch nicht stark genug sei,<br />
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