ANGST ∙ HISTORIE sich Impfgegner zu Anti-Impf-Vereinen zusammen – insbesondere im Kaiserreich, als dort 1874 das Impfgesetz erlassen wurde. „Diese Impfängste breiteten sich dramatisch aus. Sie waren im Grunde ganz ähnlich wie heute. Doch letztlich war der Impferfolg gegen die Pocken durchschlagend.“ Die Pocken konnten damals zwar noch nicht ausgerottet werden, aber das gelang schließlich in den 1970er-Jahren. DUNKLE SEITEN DER IMPFHISTORIE Dennoch kam es in der Geschichte des Impfens auch immer wieder zu Zwischenfällen, die der Impfangst Nahrung gaben. So war zum Beispiel 1930 bei einer Charge des sogenannten BTG-Impfstoffs gegen Tuberkulose der Erreger nicht im nötigen Maß abgeschwächt worden. Die damalige Vakzine war ein Lebendimpfstoff mit abgeschwächten, aber nicht abgetöteten Erregern. Geht hier während der Herstellung etwas schief, kann es zu massiven Infektionen kommen. Und das geschah beim sogenannten Lübecker Impfunglück: Schulkindern wurde der Impfstoff injiziert, Hunderte von ihnen erkrankten an Tuberkulose, 77 starben innerhalb kürzester Zeit. Etwas Ähnliches passierte auch bei der Einführung eines Impfstoffs gegen Kinderlähmung (Polio) in den 1950ern. HEUTIGE PRÜFVERFAHREN „Das sind Gefahren, die bei einem neuen Impfstoff immer drohen, wenn man nicht die nötigen Sicherheits- und Kontrollmechanismen einrichtet. Diese Vorkehrungen haben wir heute. In Deutschland wird kein neuer Impfstoff zugelassen, dessen Chargen nach dem großen Prüfverfahren nicht zusätzlich auch noch vom Paul-Ehrlich-Institut auf Ungefährlichkeit untersucht worden sind“, versichert Eckart. Das Paul-Ehrlich-Institut ist die letzte Barriere zur Verhinderung fehlerhafter Chargen. Ebenso wichtig: Es überwacht auch, ob es im alltäglichen Einsatz der Impfstoffe Auffälligkeiten gibt. „Das ist ein gutes Instrument, das im Rahmen der Arzneimittelgesetzgebung der 1970er-Jahre eingeführt worden ist. Heute kann man sagen, dass es fast unmöglich ist, dass solche gefährlichen oder vergifteten Impfchargen auf den Markt kommen.“ Werden wir mit den Erfahrungen aus der Covid-19-Impfung ein größeres Vertrauen in Impfstoffe entwickeln? Noch sind viele Menschen skeptisch, da es sich um eine neue Art von Impfstoffen handelt Und doch kam es zuletzt erst im Jahr 2009 während der Schweinegrippe, die durch einen Influenza virusstamm ausgelöst wurde, zu schweren Zwischenfällen. Der Impfstoff Pandemrix, der von der EU im September 2009 zugelassen worden war und mit dem rund 30,8 Millionen Menschen in der Europäischen Union geimpft wurden, löste in seltenen Fällen eine Narkolepsie aus. Eine Narkolepsie ist eine seltene Schlaf- Wach-Störung, bei der Tagesschläfrigkeit und Kataplexie (plötzlicher Verlust des Muskeltonus) auftreten. Eine Studie aus dem Jahr 2015 legt nahe, dass es sich bei dem Impfschaden um eine Autoimmunerkrankung handelt – also um eine Veränderung des Immunsystems, die durch die Impfung verursacht wurde. Bis Januar 2015 meldeten sich mehr als 1300 Betroffene mit Impfschäden: 81in Deutschland, die meisten in skandinavischen Ländern, in denen Massenimpfungen durchgeführt worden waren. Zwar sind 1300 Impfschäden bei mehr als 30 Millionen Geimpften eine geringe Anzahl: Das entspricht 0,004 Prozent, also wurde einer von 23 000 Geimpften krank. Das ist auch der Grund dafür, warum es eine Weile dauerte, bis das seltene Problem als Folge der Impfung erkannt werden konnte – auch wenn dieser sehr schwerwiegenden, unheilbaren Impfschaden relativ kurz nach der Impfung eintrat. Der Impfstoff wird in der EU nicht mehr eingesetzt. MACHEN IMPFSCHÄDEN ANGST? „Das Risiko, einen Impfstoff nicht zu vertragen, wird heutzutage im Bereich von deutlich unter 0,1 Prozent liegen“, sagt Eckart, der nicht FOTO: ADOBE STOCK, DPA PICTURE-ALLIANCE, GETTY IMAGES Deutsche Soldaten erhielten erstmals im Ersten Weltkrieg (1914–18) eine Tetanus-Schutzimpfung »Das Risiko, einen Impfstoff nicht zu vertragen, liegt heute im Bereich unter 0,1 Prozent.« 50 01/<strong>2<strong>02</strong>1</strong>
Der Impfstoff Pandemrix, der von der EU im September 2009 zugelassen wurde und mit dem rund 30,8 Millionen Menschen in der EU geimpft wurden, löste in 0,004 Prozent aller Fälle eine Narkolepsie aus. 01/<strong>2<strong>02</strong>1</strong> 51
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