Pieks_2021_02_26
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DIE NEUE ARBEITSWELT<br />
Nirgends macht sich das so deutlich bemerkbar<br />
wie in der Arbeitswelt. Laut IT-Branchenverband<br />
Bitkom arbeitete 2<strong>02</strong>0 zwischenzeitlich<br />
fast jeder zweite deutsche Arbeitnehmer<br />
ganz oder teilweise im Homeoffice. Ein Jahr<br />
zuvor war es etwa jeder achte. Binnen Wochen<br />
wurde möglich, worüber zuvor jahrelang<br />
diskutiert worden war. Zum Glück. Auch so<br />
ist die Weltwirtschaft 2<strong>02</strong>0 schon um mehr<br />
als fünf Prozent geschrumpft. Das hat es seit<br />
dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Wie<br />
es ohne die Möglichkeiten digitaler Heimarbeit<br />
ausgesehen hätte? Gastwirte und Friseure<br />
dürften eine dunkle Ahnung davon haben.<br />
„Dass so viele von uns den Arbeitsort frei<br />
wählen können, ist womöglich die wichtigste<br />
gesellschaftliche Erkenntnis dieser Pan demie“,<br />
sagt Zukunftsforscher Schetsche. Sie dürfte<br />
nachwirken. Umfragen zeigen, dass ein Großteil<br />
der Arbeitnehmer hierzulande zwar nicht<br />
ausschließlich zu Hause arbeiten will. Die Möglichkeit,<br />
es zumindest tageweise zu tun, will<br />
die Mehrheit aber beibehalten – zur Not per<br />
Gesetzanspruch. Auf Unternehmerseite Die Welt sehnt tut sich sich<br />
auch etwas. Das Beratungsunternehmen<br />
nach Normalität und einem<br />
KPMG hat Hunderte Leben Firmenchefs ohne Corona in aller zurück. Welt<br />
befragt: 69 Prozent planen Besonders im Zug der vermisst: Digitalisierung<br />
ab <strong>2<strong>02</strong>1</strong> den Abbau eine einfache von Büroflächen.<br />
Umarmung<br />
Die Büros selbst könnten bald anders aus-<br />
sehen. Der Trend zum offenen Großraumbüro<br />
hatte zuletzt schon einen Knick bekommen –<br />
zu laut, zu störend. Seit der Pandemie werden<br />
solche Raumkonzepte noch kritischer hinterfragt.<br />
Genauso die Zahl von Meetings oder<br />
Dienstreisen.<br />
VERÄNDERTE STÄDTE<br />
Wer seltener zur Arbeit pendelt, entlastet zudem<br />
den Verkehr und die Umwelt. Womöglich<br />
verändert er langfristig sogar den Wohnungsmarkt.<br />
Laut einer Bitkom-Umfrage würde jeder<br />
fünfte Berufstätige in Deutschland umziehen,<br />
wenn er in Zukunft größtenteils im Home office<br />
arbeiten könnte. Ein Arbeitszimmer steht<br />
oben auf der Wunschliste, aber auch günstigere<br />
Mieten oder ein attraktiveres Wohnumfeld.<br />
Was macht das mit der Stadt?<br />
Jürgen Oßenbrügge glaubt, dass die Stadtplanung<br />
sich verändern wird. Oßenbrügge ist<br />
Wirtschaftsgeograf und Professor für Stadtund<br />
Regionalforschung an der Uni Hamburg.<br />
„Jahrzehntelang haben Städte das Problem<br />
des fehlenden Wohnraums mit einer Nachverdichtung<br />
zu lösen versucht“, sagt er. Vermeintlich<br />
gute Vorbilder wie Wien hätten so mehr<br />
sozialen Wohnungsbau auch zentrumsnah<br />
geschaffen. „Die Pandemie hat aber gezeigt,<br />
wie die kleine Wohnung ohne Garten oder<br />
Balkon plötzlich zum erweiterten Gefängnis<br />
werden kann.“ Wichtiger werde daher künftig,<br />
was Stadtplaner die „blau-grüne Infrastruktur“<br />
nennen: Balkone, Gärten, Parks und Gewässer.<br />
„Außerdem zählen die Quartierstruktur und<br />
die lokale Versorgung“, so Oßenbrügge. Ganz<br />
neu sei das nicht, aber die Pandemie beschleunige<br />
das Umdenken.<br />
So will etwa Giuseppe Sala, der Bürgermeister<br />
von Mailand, seine von Corona<br />
gebeutelte Stadt für die Zukunft entsprechend<br />
umbauen. Er plädiert immer wieder öffentlich<br />
für die „15-Minuten-Stadt“: „Die Erfahrung<br />
des Lockdowns hat uns gezeigt, dass wir eine<br />
gut aufgestellte lokale Ausstattung brauchen,<br />
wo alle ihren täglichen Bedarf zu Fuß oder per<br />
Fahrrad decken“, so Sala.<br />
KONSUM VON DER COUCH AUS<br />
Doch gerade diese örtliche Versorgung hat<br />
derweil mit einem Gegentrend zu kämpfen.<br />
Laut dem Beratungsunternehmen McKinsey<br />
wuchs der Bereich E-Commerce im Jahr 2<strong>02</strong>0<br />
weltweit in drei Monaten so stark wie in den<br />
vorangegangenen zehn Jahren zusammen. Dem<br />
von Corona befeuerten Boom beim Onlinehandel<br />
steht eine tiefgreifende Krise beim<br />
stationären Handel gegenüber. Viele Geschäfte<br />
dürften sie nicht überleben. Der Rest macht<br />
sich Gedanken.<br />
So prognostiziert ein US-amerikanischer<br />
Branchenverband, dass Verkaufsflächen künftig<br />
kleiner werden könnten, um Raum für Lager<br />
und paralleles Onlinegeschäft zu schaffen.<br />
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