REGION ERLEBEN Die Kranichschanze liegt mitten im Huvenhoopsmoor. Foto: Kuzaj Kraniche mögen wegen ihres empfindsamen Gehörs keinen Lärm, so führt der Weg zur Schanze über schallschluckende Rindenmulchpfade. Foto: Kuzaj Wer Kraniche beobachten möchte, braucht ein wenig Geduld. Foto: Kuzaj Blick auf die Naturbühne! Foto: Kuzaj Kraniche lieben Moor- und Sumpflandschaften Foto: Kuzaj Die Schanze wirkt wie ein Kino oder Theater mitten in der Natur. Foto: Kuzaj Schon auf den Wiesen kurz vor Glinstedt entdecken wir die ersten Kraniche. 118 OBERNEULAND
Die Landschaft mit ihren feuchten Gründen, ihren Wiesen und Pflanzen, ihren Wasserzonen und dem weiten Himmel – diese durch und durch norddeutsche Landschaft, sie ist Bühne und Bühnenbild zugleich. Und die Hauptdarsteller, keine Frage, die Stars – das sind die Kraniche. Und die haben durchaus so ihre Allüren. Lärm zum Beispiel mögen sie wegen ihres empfindsamen Gehörs nicht, das Publikum soll schon eine gewisse Ruhe bewahren; wie im Theater eben. Schon auf dem Weg zur Schanze sind wir über schallschluckende Rindenmulchpfade gegangen; der Mensch soll an diesem Ort möglichst wenig auf sich aufmerksam machen. Manchmal aber lassen sie sich trotz aller Vorsicht einfach nicht blicken, die Stars, obwohl sie eigentlich noch Saison haben und damit eben: ihre Auftritte an der Kranichschanze. Aber dann lassen sie ihr Publikum halt warten. Es lohnt sich also, Zeit und Geduld mitzubringen. Wenn das Spektakel dann beginnt, wird das Kranich-Publikum reich belohnt! Die schönen Flugbewegungen der wilden Vögel, dazu die an Trompetenklänge erinnernden Rufe! Sie sind weithin hörbar und verstärken das Naturschauspiel im Moor um eine eindrucksvolle akustische Komponente. Fotografieren dürfen wir die Kraniche natürlich, allerdings nur ohne Blitzlicht. „Es verunsichert Kraniche sehr“, heißt es auf einer Infotafel. Wie gesagt: Die Vögel sind sensibel. Und aus diesem Grund sind sie auch sehr, sehr vorsichtig – besonders, wenn es darum geht, die Schlaf- und Rastplätze zu schützen. „Die Wachposten der Kraniche entdecken Sie frühzeitig“, informiert der Naturschutzbund (NABU) auf einem Schild. „Es sei denn, Sie sind schlauer als der schlaue Kranich.“ Folglich gelte es, gewisse Hinweise zu beachten. Zum Beispiel: „Vermeiden Sie auffällige Kleidung.“ Sprich: Unsere leuchtende Warnweste bleibt zu Haus. Zudem wird einmal mehr dringend empfohlen, auf den ausgeschilderten Wegen zu bleiben. Ganz schön imposant wirken sie trotz aller Scheu, die grauen Grazien der Lüfte: Kraniche werden etwa 1,20 bis 1,50 Meter groß, ihre Flügelspannweite erreicht bis zu 2,20 Meter. Größe gepaart mit Eleganz – das hat seit Menschengedenken die Dichter auf den Plan gerufen. Bertolt Brecht zum Beispiel setzte fliegende Kraniche in seinem Gedicht „Die Liebenden“ als Sinnbild für die Liebe ein, nicht mehr und nicht weniger: „Seht jene Kraniche in großem Bogen! / Die Wolken, welche ihnen beigegeben / Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen / Aus einem Leben in ein anderes Leben.“ Während wir von der Kranichschanze auf die weite Moorlandschaft blicken, lassen wir unsere Gedanken fliegen. In der griechischen Mythologie gilt der Kranich als Vogel des Glücks, als Symbol der Wachsamkeit und Klugheit. Den Römern galt der Kranich als Symbol des klugen, Kraniche werden etwa 1,20 bis 1,50 Meter groß, ihre Flügelspannweite erreicht bis zu 2,20 Meter. vernünftigen und sorgfältigen Handelns. In der Heraldik ist er das Symbol der Vorsicht und der schlaflosen Wachsamkeit. Und in der modernen Markenwelt ein Sinnbild technologischer Verlässlichkeit und Ausdauer – nicht ohne Grund ist der fliegende Kranich seit bald 100 Jahren das unverwechselbare Zeichen der Lufthansa. Apropos Flugbewegungen … die Kraniche, die bei uns in der Welt des Teufelsmoors Rast machen, sie kommen aus Skandinavien und dem Baltikum. Mit Eicheln und Mais, Insekten und Mäusen, Fischen und Fröschen stärken sie sich in der Landschaft rund um die Kranichschanze für ihre Reise in den Süden, denn überwintern werden die Kraniche beispielsweise in Spanien, in Andalusien etwa und in der Extremadura. Manche Kraniche ziehen noch weiter und erreichen Nordafrika. Im Frühjahr kehren sie wieder zurück. Früher erreichten die Kraniche die Brutgebiete Mitteleuropas im März, heute zuweilen schon im Februar – womöglich lässt auch hier der Klimawandel grüßen. Es wurden sogar schon Überwinterungsversuche der grazilen Zugvögel beobachtet, heißt es. Mehrheitlich aber machen sie sich nach wie vor auf den Weg vom Moor des Nordens in die Sonne des Südens. Eine glückliche Reise wünschen wir ihnen, während wir ihrem eleganten Spektakel zusehen von unserer Sitzbank im Naturtheatersaal der Kranichschanze. Wir aber bleiben hier und warten auf das Frühjahr, wenn sie zu uns zurückkehren, die Kraniche. Text: Claudia Kuzaj OBERNEULAND 119