OM_12_2022_ePaper
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GIFTKÖDER IN OBERNEULAND<br />
WAS TIERHALTER TUN KöNNEN<br />
Jeden Tag während jeder „Runde“ geht seit einigen Wochen für die<br />
Oberneulander Hundebesitzer zumindest ein ungutes Gefühl mit spazieren.<br />
Ein Mensch hat an verschiedenen Stellen<br />
im Stadtteil vermeintliche Giftköder<br />
ausgelegt. Vermeintlich, da die Proben<br />
noch untersucht werden müssen. Zum<br />
Glück ist bisher kein Hund getötet oder<br />
stark geschädigt worden, und dieser<br />
Mensch hat sein Ziel zum Glück nicht erreicht.<br />
Aber die Verunsicherung ist groß<br />
und das Schlimmste ist, dass man nicht<br />
weiß, wann das alles vorbei ist.<br />
Neu ist das Thema nicht – immer wieder<br />
verbreiten sich durch Mund-zu-Mund-<br />
Propaganda oder in den sozialen Medien<br />
die Nachrichten, dass Giftköder an beliebten<br />
Hundeauslaufflächen oder Hundespaziergehrouten<br />
gefunden wurden. Doch<br />
in dem aktuellen Fall häuften sich die<br />
Fundstellen, die sogar bis in den privaten<br />
Bereich eines Hauses reichten und auch ein<br />
solcher Fund aus Borgfeld gemeldet wurde.<br />
Natürlich mag man sich daran stören,<br />
dass Hundebesitzer die Hinterlassenschaften<br />
ihrer Vierbeiner nicht entsorgen oder die<br />
Tiere ohne Leine frei nach Lust und Jagdtrieb<br />
laufen gelassen werden oder sogar<br />
Menschen belästigen. Das alles darf nicht<br />
passieren, ist beispielsweise der Freilauf<br />
doch auch an den meisten Stellen in<br />
Bremen, Oberneuland und in der Natur<br />
„umzu“ sogar verboten.<br />
Doch keine dieser unrechten Handlungen<br />
der Tierbesitzer gibt einem anderen Mitbürger<br />
das Recht, das Leben der Hunde zu<br />
gefährden. Zumal nicht nur die Hunde gefährdet<br />
sind, vielmehr sind von den ausgelegten<br />
Ködern auch Katzen, andere Wildtiere<br />
oder natürlich auch Kinder in Gefahr.<br />
INFO<br />
Besonders in dem aktuellen Fall, wo sich<br />
die Substanzen auf das umliegende Gras<br />
verteilen und somit von anderen Tieren<br />
aufgenommen werden kann – sollte es sich<br />
tatsächlich um eine Giftbeimischung in<br />
Fleisch handeln. Besonders perfide war bei<br />
diesem Täter auch die Tatsache, dass er die<br />
vermuteten Giftköder gut getarnt, beispielsweise<br />
unter gemähtem Gras, versteckt<br />
hatte.<br />
Zur rechtlichen Situation ist anzumerken,<br />
dass die Juristen zwischen dem Straf- und<br />
dem Zivilrecht unterscheiden. Je nachdem<br />
begeht derjenige, der das Gift auslegt, eine<br />
Straftat nach Paragraph 17 Tierschutzgesetz<br />
(Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren<br />
oder Geldstrafe) oder eine Ordnungswidrigkeit<br />
nach Paragraph 18 des Tierschutzgesetzes<br />
(empfindliche Geldstrafe von bis<br />
zu 25.000 Euro). Zu dem Verstoß gegen das<br />
Tierschutzgesetz kann auch eine strafbare<br />
Sachbeschädigung gemäß Paragraph 303<br />
des Strafgesetzbuches zur Anwendung<br />
kommen (Freiheitsstrafe von bis zu zwei<br />
Jahren oder Geldstrafe).<br />
Zusätzlich hat der Hundehalter die<br />
Möglichkeit, auf zivilrechtlichem Wege<br />
Schadensersatzansprüche gegen den Täter<br />
geltend zu machen. Somit können alle mit<br />
der Vergiftung in Zusammenhang stehenden<br />
Folgekosten, wie beispielsweise die<br />
Tierarztkosten oder auch die Fahrtkosten<br />
zum Tierarzt, geltend gemacht werden.<br />
Dazu müssen aber alle Unterlagen gesichert<br />
werden, da der Hundehalter in der<br />
Beweispflicht ist. Zur Verurteilung aber<br />
muss der Mensch erst einmal gefunden<br />
Tipps von Tierärztin Dr. Tanja Kruse<br />
1. Wenn man einen Verdacht hat, sofort zum Tierarzt oder in die Tierklinik<br />
fahren (am besten Telefonnummern immer mit sich führen).<br />
2. Das „Fundstück“ – falls der Hund es noch nicht verschluckt hat – mitbringen.<br />
3. Beim Spaziergang mit dem Hund sehr aufmerksam sein und sich auf den Hund<br />
konzentrieren.<br />
4. Hunde am besten angeleint ausführen und genau beobachten – möglichst sich nicht<br />
ablenken lassen.<br />
5. Keine Selbstmedikation versuchen, denn bei schnellwirkenden Giften zählt jede Minute.<br />
Grundsätzlich gilt, dass man keine generelle Aussage zur Wirkung der verschiedenen Gifte<br />
machen kann, da diese sehr unterschiedlich ist. Schneckenkorn wirkt sehr schnell, Rattengift<br />
dagegen sehr langsam. Jedoch gilt in allen Fällen: Bei Verdacht sofort medizinische Hilfe<br />
aufsuchen!<br />
Foto: privat<br />
Besonders das viele Laub auf dem Boden nimmt<br />
den Hundehaltern die Freude am Spaziergang –<br />
denn der Täter versteckte die augenscheinlich<br />
präparierten Hackfleischbällchen.<br />
INFO<br />
Psychologisches Profil<br />
eines Täters?<br />
Von Professor Ekke Dahle, ehemals<br />
Hochschule für Öffentliche Verwaltung,<br />
Strafrecht/Strafprozessrecht, Kriminologie<br />
Das ist eine sehr komplexe Fragestellung,<br />
die nur schwer zu beantworten ist. Vorweg:<br />
Dieses Verhalten ist strafbar und<br />
durch nichts zu rechtfertigen! Die Gründe,<br />
warum ein Mensch Giftköder präpariert<br />
und auslegt, sind sehr vielfältig und<br />
dürften meist in der Verärgerung über<br />
das Verhalten der Hunde oder auch der<br />
Hundehalter liegen.<br />
Beispielsweise hat er sich darüber geärgert,<br />
dass er, als er das Haus verlassen<br />
hat, in einen Hundehaufen getreten ist<br />
oder festgestellt, dass wieder eine Hundehinterlassenschaft<br />
im Sandkasten des<br />
Spielplatzes liegt. Man darf weiterhin nie<br />
vergessen, dass es auch Menschen gibt,<br />
die schlicht Angst vor Hunden – egal ob<br />
groß oder klein – haben. Ein weiterer<br />
Auslöser kann sein, dass der Mensch<br />
einmal von einem Hund angesprungen<br />
oder als Jogger vielleicht gejagt worden<br />
ist. Die Gründe, die zu einem solchen<br />
kriminellen Verhalten führen, sind sehr<br />
vielschichtig. Die meisten<br />
Menschen würden aber<br />
trotz solcher Ärgernisse<br />
niemals darauf kommen,<br />
Giftköder auszulegen.<br />
werden, was sicher nicht einfach ist. Daher<br />
hat sich in Oberneuland eine Gruppe von<br />
Hundehaltern zusammengefunden, die<br />
zum einen durch eine breite Öffentlichkeit<br />
aufmerksam gemacht hat und dies auch<br />
noch durch Aushänge unterstützt. Hier ist<br />
auch die zentrale Telefonnummer der<br />
Polizei Bremen vermerkt. Sollte man etwas<br />
Verdächtiges beobachten, so kann man dies<br />
dort mitteilen, denn die Bremer Polizei ist<br />
ebenfalls ausgesprochen wachsam in Oberneuland<br />
unterwegs. Außerdem wurde auch<br />
eine Anzeige gegen Unbekannt gestellt. CB<br />
Foto: privat<br />
84 OBERNEULAND