OM_12_2022_ePaper
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Kälber seien eigentlich nicht handzahm, sondern<br />
eher scheu und zurückhaltend, erklärte der<br />
Oberneulander Landwirt Heiner Lindemann.<br />
Rubina, die letztes Jahr kurz vor Weihnachten in<br />
seinem Stall geboren wurde, hatte im Alter von<br />
einer Woche eine sehr starke Durchfallerkrankung<br />
und musste intensiv tierärztlich betreut werden.<br />
Zehn Tage lang kümmerte sich die praktische Tierärztin Julia<br />
Schibilla um die „Holsteiner Rotbunte“. Sie wusch und<br />
föhnte das durch starken Durchfall geschwächte Tier in der<br />
Milchkammer von Heiner Lindemanns Stall, fütterte es mit der<br />
Flasche und verabreichte ihm manchmal zweimal pro Tag eine<br />
Infusion. Für Kälber sei es wichtig, dass sie in solch einem<br />
Zustand nicht nur von dem Muttertier betreut werden, so der<br />
Oberneulander Landwirt. „Als Mensch hätte Rubina auf der<br />
Intensivstation gelegen“, verdeutlichte er die ganze Tragweite<br />
des Zustands zwischen Leben und Tod, in dem das dreifarbige<br />
Kalb in der Zeit schwebte.<br />
Für Julia Schibilla, die einen ganzheitlichen Ansatz in ihrer<br />
tierärztlichen Behandlung verfolgt, war es wichtig, das Kalb bei<br />
der Mutter zu belassen. Obwohl Rubina diese intensive Sonderbehandlung<br />
erfahren hat, bleibe sie trotzdem ein Nutztier, so<br />
der Landwirt. Für die junge Tierärztin haben Kühe aber zudem<br />
noch einen anderen Stellenwert und seien Tiere, um die man<br />
sich intensiv kümmern muss. Was möglich ist, werde für die<br />
Kühe getan. Das ist auch ganz in Heiner Lindemanns Sinne.<br />
„Es ist mir ein Anliegen, dass sie nicht nur wie ein Wirtschaftsfaktor<br />
behandelt werden“, machte die mobile Tierärztin<br />
deutlich, die seit vielen Jahren die Tiere auf Lindemanns Hof<br />
behandelt. Daher ist Rubina auch nicht das einzige Kalb<br />
beziehungsweise Kuh, die handzahm ist. Die halbe Herde von<br />
Heiner Lindemann sei fast zahm, so die Tierärztin. Ihr macht es<br />
Freude, Tieren eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken<br />
und Respekt entgegenzubringen.<br />
Im Frühjahr startete Julia Schibilla am Deich ihre Spaziergänge<br />
mit Kalb Rubina. In einem Alter von elf Monaten aber ist<br />
nun „klein und niedlich“ langsam vorbei. Das Kalb hat ihre<br />
Schulterhöhe erreicht und bringt mittlerweile 500 Kilogramm<br />
und viel Zutraulichkeit auf die Waage, die für die Tierärztin<br />
nur zu handeln sind, weil sie Auftrensen und Spaziergänge von<br />
klein auf mit Rubina geübt hat. Julia Schibilla startete die<br />
Spaziergänge mit Kalb, um zu zeigen, was mit einem Rind<br />
möglich ist. Sie brachte ihm bei, auf Handzeichen zu reagieren.<br />
Ganz klar aber in ihrer Beziehung ist die Rangordnung, die<br />
Tierärztin ist Chef. Trotzdem funktioniere diese Art von<br />
Dressur nicht mit jedem Kalb. Einen großen Anteil an der<br />
Zutraulichkeit Rubinas habe auch das Muttertier.<br />
Spaziergänger, Fahrradfahrer und Reiter reagieren sehr erstaunt<br />
auf das ungewöhnliche Paar. Rubina hat mit Pferden ein<br />
geringeres Problem als umgekehrt. Auch vorbeifahrende Autos<br />
und Fahrräder wie auch Hunde nimmt sie gelassen.<br />
Text und Fotos: Sabine v.d. Decken<br />
DANKE AN OBERNEULAND FÜR DIE ERSTEN<br />
10 JAHRE VOLLER VERTRAUEN UND SYMPATHIE<br />
OBERNEULAND 77