jahresbericht 05_IH.xp - Museum Rietberg
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erforschen. In dieser Blütezeit ihres Schaffens lassen sich Skizzen, zeichnerische<br />
Vorarbeit zur Kunstforschung und Malerei sowie die ausgeführten Gemälde unter -<br />
scheiden. Wie während ihrer früheren, «europäischen» Phase stellt die Zeichnung<br />
noch immer die Basis ihrer Malerei dar: Jede Form und jeder Gegenstand wird<br />
mehrmals naturgetreu skizziert, auf seine Grundform reduziert und mehrmals dargestellt,<br />
bevor das Motiv mit Pinsel und meist Ölfarbe auf der Leinwand umgesetzt<br />
wird. In Indien erhält die Farbe in Alice Boners Schaffen zum ersten Mal eine wichtige<br />
Rolle zugewiesen. Die Künstlerin trug die Farbe flächig mit plastischem Pinsel -<br />
strich auf und fing das lebendige Leben Indiens und seine verschiedenartigen<br />
Land schaften in kräftigen, klaren Tönen ein (AB 1529, 1573, AB 1574 oder 1594).<br />
Während ihres Aufenthaltes in Indien vertieft sich die Künstlerin in die Symbolsprache<br />
der indischen Kunst und beschäftigt sich intensiv mit Hinduismus und<br />
Philosophie: «In Indiens Tradition und Leben gibt es kaum etwas, das nicht symbolische<br />
Bedeutung hätte» (Boner et al., 1993, S. 45). Durch Vereinfachung in der<br />
Gestaltung des Raumes und der Komposition sowie einer Tendenz zum Flächigen<br />
und Ornamentalen gestaltet sie symbolische Bilder. Neben ihrer künstlerischen<br />
Tätigkeit beschäftigte sich Alice Boner intensiv mit der indischen Sakralkunst. Es<br />
entstehen ihre Studien und Arbeiten zum Vastushastra und zum Shilpaprakasha<br />
(AB 1237, AB 1279–1281 oder AB 1360).<br />
Die Sammlung von Alice Boners Werken im <strong>Museum</strong> <strong>Rietberg</strong> zeigt den<br />
Schaf fensdrang und die künstlerische Entwicklung eines aussergewöhnlichen Lebens<br />
von den Anfängen in Europa bis zur Blütezeit ihres Schaffens in Indien und<br />
ihren letzten Werken in der Schweiz (AB 1845–1848). Die Liebe zu Indien und ihre<br />
ungebremster Schaffenslust währte bis ins hohe Alter. Fast neunzigjährig kehrte<br />
sie aufgrund gesundheitlicher Probleme nach Zürich zurück und starb zwei Jahre<br />
später. Alice Boners Werke zeigen die Begegnungen und Erlebnisse einer mutigen<br />
Pionierin, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in eine ferne und fremde Region<br />
wagte. Als Künstlerin machte sie es sich zur Lebensaufgabe, sich intensiv mit<br />
der indischen Kultur und Gesellschaft auseinanderzusetzen.<br />
Es ist hier nicht der Ort, den gesamten Boner-Nachlass zu dokumentieren<br />
– zumal ein Teil ihres Archivs, aber auch ihrer Fotosammlung noch nicht aufgear -<br />
beitet sind. Am Ende der Forschung stehen sicher weitere Ausstellungen und Publikationen.<br />
Literatur: Boner, Alice: Indien, mein Indien: Tagebuch einer Reise, Zürich: Werner Classen, 1984<br />
Boner, Georgette und Eberhard Fischer (Hrsg.): Alice Boner und die Kunst Indiens, Katalog der<br />
Ausstellung im <strong>Museum</strong> <strong>Rietberg</strong> Zürich und Bündner Kunstmuseum Chur, 1983<br />
Boner, Georgette, Luitgard Soni und Jayandra Soni (Hrsg.): Alice Boner Diaries: India 1934–1967,<br />
Dehli: Motilal Banarsidass Publishers, 1993<br />
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