jahresbericht 05_IH.xp - Museum Rietberg
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Stickereien aus Gujarat<br />
Die meisten bestickten oder mit Stoffapplikationen verzierten Textilien der Sammlung<br />
Fischer stammen aus Gujarat. Sie sind fast alle in der ehemaligen Hauptstadt<br />
Ahmedabad erworben worden, stammen aber aus verschiedenen Regionen des<br />
Landes: Die wichtigsten ländlichen Gebiete, in denen traditionell von den Frauen<br />
gestickt wird, befinden sich auf der Halbinsel Saurashtra, wo früher sowohl in bäuerlichen<br />
(Kanbi-Patel) als auch in aristokratischen Familien (Kathi und Rajput) die<br />
Frauen in ihren Mussestunden Stoffe für die verschiedenartigsten Zwecke bestickt<br />
haben, so vor allem Kostümteile, Wandschmuck, Decken, Kissen, Taschen, Ochsen-<br />
und Pferdedecken, Wiegentücher und fünfeckige «Tempeltücher» mit dem Bild -<br />
nis des elefantenköpfigen Gottes Ganesha. Man findet auf diesen Stickereien eine<br />
grosse Zahl von Stichtypen (vor allem offene und geschlossene Hexensti che, Vorstiche,<br />
Stielstiche und Kettenstiche) und erkennt verschiedene Methoden, kleine<br />
Spiegelchen einzusticken. In manchen Gegenden von Saurashtra verwenden die<br />
Bäuerinnen nur gelbe Grundstoffe, Handwerker am liebsten weisse oder grüne<br />
und vornehme Familien dunkelblaue oder rote Baumwoll- und Seidenstoffe. Oft<br />
lassen sich die Stickerinnen auf den zugeschnittenen Textilien von lokalen Handwerkern<br />
die Muster mit Tusche vorzeichnen. In manchen Familien aber halten sich<br />
die Frauen an Motive, die in ihrem Haushalt Tradition haben. Dann gibt es vor allem<br />
in der Wiedergabe von Figuren und Tieren neben Stereotypen auch höchst<br />
originelle Darstellungen.<br />
Gestickter Wandschmuck aus Saurashtra<br />
Meist auf weissem Grund sind die grossen, hochrechteckigen Stoffe mit Motiven<br />
wie Lebensbaum, Rosetten, Fächern, Elefanten, Reitern, Frauen beim Buttern oder<br />
Wiegen, Papageien, Pfauen etc. bestickt. Solche Tücher wurden über den Truhen<br />
aufgehängt, auf denen die Matratzen und Steppdecken des Haushalts aufgeschichtet<br />
waren. Sie bildeten den wichtigsten farbigen Schmuck der lehmfarbenen<br />
oder weiss getünchten Wohnräume.<br />
Vor allem in Haushalten des Kathi-Landadels sind mehrere Meter lange,<br />
schmale Friesbänder (pachhitpati) bestickt worden, an die quadratische Tücher<br />
(chakla) genäht werden konnten. In vielen Haushalten wurden insbesondere die<br />
Türen mit Stickereien gerahmt. Auffallend sind vor allem die Verkleidungen der<br />
Türsturze mit längsrechteckigen Stickereien (toran), die mit herunterhängenden<br />
Lappen verziert sind. Mit solch farbenfreudig geschmückten Hauseingängen sollte<br />
ein Gast willkommen geheissen werden.<br />
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