jahresbericht 05_IH.xp - Museum Rietberg
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Stickereien<br />
In einigen Regionen Indiens werden Gewebe durch Stickerei, d.h. die Applikation<br />
von Zierfäden, gemustert, wobei eine Vielfalt von Stichtypen (Kettenstich, Spannstich,<br />
Kreuzstich, Plattstich) verwendet werden können. Auswahl und Kombination<br />
dieser oft nur für bestimmte Muster geeigneten Stiche sind häufig ein untrügliches<br />
Kennzeichen für eine bestimmte Volkskunstregion oder eine Kaste. Zum<br />
Sticken wird in Nordindien fast immer unterschiedlich gefärbtes, ungezwirntes Seidengarn<br />
verwendet. Manchmal sind zusätzlich noch Spiegelstückchen, Samen,<br />
Kaurischnecken u.ä. eingenäht. Auch können zur Musterung grösserer Partien<br />
ausgeschnittene farbige Stoffstücke appliziert sein.<br />
Sticken ist in Indien meist Frauenarbeit. Eine Ausnahme bildeten früher die<br />
Handelswaren professioneller Produzenten wie Wollschals aus der Kashmir-Region,<br />
bestickte Weisswäsche aus Lakhnau und die ausschliesslich mit Kettenstichen<br />
verzierten Seidenstoffe und Lederarbeiten der Mochi-Schuhmacher in Guja -<br />
rat. In der Regel verzieren Frauen in ihren Mussestunden nur für den Eigenbedarf<br />
Kostümteile, Steppdecken, Wandschmuck und Prestigegüter in Handarbeit. Stickereien<br />
zeigen Wohlstand an, stiften Identität und weisen Betrachter auf den kulturellen<br />
Hintergrund und den sozialen Status der Besitzenden hin. Bestickte Textilien<br />
werden vor allem als Mitgift eingesetzt und bei Hochzeiten gezeigt. Früher<br />
wurde das Wissen von der älteren Generation an die jüngere weitergegeben, indem<br />
die Mutter ihrer Tochter oder Schwiegertochter sämtliche Aspekte des Stickens<br />
wie die verschiedenen Stich- und Mustertypen und die Farbpräferenzen beibrachte.<br />
Selten wurden Stickereien allerdings als «Erbstücke» im Familienbesitz<br />
aufbe wahrt; wenn sie unansehnlich geworden waren oder der Mode nicht mehr<br />
entspra chen, wurden sie zerschnitten und zweitverwendet.<br />
Phulkari-Stickereien aus dem Panjab<br />
Eine besonders schöne Textilgruppe sind grosse rechteckige, aus grobem braunem<br />
oder rotem Baumwollgarn gewebte Stoffe, die flächendeckend vor allem mit<br />
dem sogenannten Plattstich (von der Rückseite her über abgezählte Fäden des<br />
Grundgewebes) geometrisch oder kleinteilig mit figürlichen Mustern in goldgelben<br />
Tönen, in Orange, Rot, Blau und Schwarz bestickt sind. Sie stammen aus ländlichen<br />
Gegenden des nördlichen Panjab. Diese von Frauen nur für den Eigenbedarf<br />
angefertigten Prestigegüter wohlhabender bäuerlicher Familien werden phulkari,<br />
«Blumenarbeit», genannt und anlässlich von Hochzeiten bei der Ankunft der<br />
Gäste ausgebreitet, üblicherweise aber gefaltet als Brautschatz in Truhen aufbewahrt.<br />
2009.524–549 Phulkari, gesticktes Tuch, Panjab<br />
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