jahresbericht 05_IH.xp - Museum Rietberg
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Die Sammlung wurde vor allem nach textilkundlichen Gesichtspunkten angelegt:<br />
So sollten vor allem die Variationsbreite technischer Möglichkeiten bei der<br />
Musterbildung, die vielfältigen Abwandlungen jahrhundertealter Motive, der Kombinationsreichtum<br />
einzelner Stichtypen, aber auch die Verwendung eines Motivs<br />
durch verschiedene soziale Gruppen, die Professionalisierung des Dekorierens<br />
sowie – als Reaktion auf die Moderne – die Imitation kommerzieller Techniken und<br />
Gestaltungen im «Hausfleiss» dokumentiert werden. Ein weiteres Augenmerk galt<br />
der Abhängigkeit applizierter (gestickter) Formen und von mit Reservetechniken<br />
gefärbten Stoffen von broschierten Geweben. Deshalb sind von demselben Textil -<br />
typ oft mehrere Exemplare erworben worden, damit auch kleine Variationen erfasst<br />
werden können. Bei dieser Sammeltätigkeit, die ohne Präzedens war und des halb<br />
ohne Referenzliteratur, geschweige denn entwickelten Qualitätsstandards, auskommen<br />
musste, darf man nicht ausser Acht lassen, dass von jedem interessierenden<br />
Textiltypus, der erstmals auf dem Markt erschien, die ersten Beispiele gekauft<br />
werden mussten, obwohl man sich durchaus der Möglichkeit bewusst ist,<br />
dass später bessere Exemplare auftauchen könnten. Aber sicher ist Zuwarten nie!<br />
Und da Sammeln nicht Handel treiben ist, wurde kein einziges schon erworbenes<br />
Stück je retourniert oder veräussert.<br />
Den Schwerpunkt der Sammlung bilden Textilien aus dem ländlichen Guja -<br />
rat, insbesondere aus Saurashtra und Kutch, die in Ahmedabad erworben wurden.<br />
Hinzu kommen Gruppen von Phulkari-Stickereien aus dem Panjab, frühe Ikat-Stoffe<br />
(telia rumal) aus Hyderabad in Andhra Pradesh und verschiedenartige Gewebe<br />
(vor allem Bandha-Stoffe) aus Orissa. Diese mehr oder weniger repräsentativen<br />
Einheiten wurden entweder en bloc gekauft – die telia rumal bilden ein Lot, von<br />
dem eine Hälfte vom <strong>Museum</strong> der Kulturen in Basel erworben wurde – oder wurden<br />
dem Sammler von Freunden mitgebracht und geschenkt.<br />
Während Jahrzehnten waren diese indischen Textilien wohlverstaut – nur<br />
bei einigen Sonderausstellungen des <strong>Museum</strong>s <strong>Rietberg</strong> dienten sie als Dekorations-<br />
und Hintergrundmaterial; so beispielsweise in den Ausstellungen «Unbekanntes<br />
Indien» (1972), «Wunder einer Goldenen Zeit» (Mogul-Malerei; 1987), «Auf<br />
nach Indien!» (1987) oder «Pahari Meister» (1991). Nur eine einzige Gruppe – die<br />
gedruckten und bemalten «Tempeltücher für die Muttergöttinnen» – war (1982) in<br />
einer eigens konzipierten Sonderausstellung teilweise zu sehen.<br />
Diese vor Beginn seiner Direktionszeit (1972–1998) in Indien gesammelten<br />
Textilien schenkt Eberhard Fischer jetzt zusammen mit seiner Gattin Barbara dem<br />
<strong>Museum</strong> <strong>Rietberg</strong>. Seit etwa zwei Jahren werden die 1’500 Objekte nun Stück um<br />
Stück von Nanny Boller fotografiert, inventarisiert und im neuen Textillager des<br />
<strong>Museum</strong>s fachgerecht gelagert.<br />
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