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Jahrb. <strong>Bochum</strong>er Bot. Ver. 1 236-241 2010<br />

Pflanzenporträt: Kerzendochte<br />

ARMIN JAGEL, STEPHANIE GASPER & HILKE STEINECKE<br />

E<strong>in</strong>es der markantesten Symbole der Advents- und Weihnachtszeit s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong><br />

unterschiedlichsten Farben, Formen und sogar Düften angebotenen Kerzen. Ihr Licht gibt<br />

der Jahreszeit e<strong>in</strong>e besondere Atmosphäre, sie unterstützen neben anderen<br />

Dekorationsartikeln die erwünschte bes<strong>in</strong>nliche Stimmung. Kerzen stehen traditionell<br />

s<strong>in</strong>nbildlich für Licht, Wärme und Re<strong>in</strong>heit und symbolisieren damit im Christentum das<br />

Lebenslicht des Menschen und Christus als das Licht der Welt. Man könnte nun me<strong>in</strong>en,<br />

dass Kerzen auf den Seiten des <strong>Bochum</strong>er Botanischen Vere<strong>in</strong>s nichts zu suchen haben,<br />

sondern eher dem Bereich Chemie (Stear<strong>in</strong>) oder Zoologie (Bienenwachs) zugeordnet<br />

werden sollten. Aber die Botanik hat auch hier schon immer e<strong>in</strong>e wesentlich Rolle gespielt<br />

und steht auch heute noch im wörtlichen S<strong>in</strong>ne im Zentrum jeder Kerze, denn Wachs brennt<br />

ohne sie nicht: die Kerzendochte. Dabei ist die Erf<strong>in</strong>dung des Dochtes weitaus älter als die<br />

der Kerzen. Bei den alten Griechen z. B. waren Kerzen noch weitestgehend unbekannt, man<br />

verwendete Öllampen, die e<strong>in</strong>en (meist) pflanzlichen Docht enthielten.<br />

Talg oder Wachskerzen kamen erst im 2. Jh. n. Chr. bei den Römern auf, im Mittelalter<br />

wurden sie aufgrund des hohen Bedarfs der Kirche zunehmend wichtiger. Da Wachs zu<br />

diesem Zeitpunkt sehr teuer war, verwendete das e<strong>in</strong>fache Volk lange weiterh<strong>in</strong> die Kerzen<br />

aus R<strong>in</strong>der- oder Hammeltalg, die entsprechend stanken. Mit der Zeit wurden die Kerzen aus<br />

Bienenwachs immer billiger und damit für jedermann erschw<strong>in</strong>glich. Heute allerd<strong>in</strong>gs werden<br />

wesentlich mehr Kerzen aus Stear<strong>in</strong> oder Paraff<strong>in</strong> hergestellt, was noch billiger ist.<br />

Das Material von Dochten muss bestimmte Eigenschaften erfüllen. Manch e<strong>in</strong>er hat vielleicht<br />

schon e<strong>in</strong>mal versucht, e<strong>in</strong>e Kerze mit schon fast abgebranntem Docht zu retten, <strong>in</strong>dem er<br />

e<strong>in</strong> Streichholz als Dochtersatz <strong>in</strong> die Kerze gesteckt hat. Das Streichholz brennt fast ganz<br />

herunter, e<strong>in</strong>e Flamme entsteht - wenn überhaupt - dort, wo es direkten Kontakt zum Wachs<br />

gibt. Um aber e<strong>in</strong>e möglichst helle Flamme zu erzeugen, müssen Dochte aus saugfähigem<br />

Material hergestellt werden, das selbst nicht sofort verbrennt oder schmilzt. Durch die<br />

Kapillarwirkung im oder am Docht steigt das Öl oder das geschmolzene Wachs nach oben,<br />

wo es <strong>in</strong> der Flamme verdampft und <strong>in</strong> Gegenwart von Sauerstoff verbrennt. Dass die<br />

Saugwirkung e<strong>in</strong>es Dochtes so wichtig ist, zeigt folgendes Experiment: die extrem<br />

fetthaltigen Paranüsse können an ihrer Spitze angezündet werden. Sie brennen dann etwas<br />

5 M<strong>in</strong>uten lang wie e<strong>in</strong>e Kerze, erlöschen dann aber, da die Spitze verkohlt ist und ke<strong>in</strong> Öl<br />

mehr nachgesogen werden kann.<br />

Als Dochte wurden schon immer gerne Pflanzenteile benutzt, die die beschriebenen<br />

Fähigkeiten aufweisen. Früher wurde bei uns häufig das Mark großer B<strong>in</strong>senarten (Juncus-<br />

Arten) verwendet, <strong>in</strong>sbesondere der Knäuel-B<strong>in</strong>se (Juncus conglomeratus, Abb. 1) oder der<br />

Flatter-B<strong>in</strong>se (Juncus effusus, Abb. 2 & 7). Diese B<strong>in</strong>sen wachsen <strong>in</strong> feuchten, schlammigen<br />

und deswegen schlecht durchlüfteten Böden. Damit ihre Wurzeln trotzdem gut mit Sauerstoff<br />

versorgt werden können, haben die B<strong>in</strong>sen <strong>in</strong> ihrem Stängel e<strong>in</strong> Durchlüftungsgewebe<br />

(Aerenchym, Abb. 3). Die e<strong>in</strong>zelnen Zellen dieses Gewebes s<strong>in</strong>d tot, verfügen über e<strong>in</strong><br />

sternförmiges Aussehen und grenzen mit ihren Fortsätzen ane<strong>in</strong>ander (Sternparenchym,<br />

Abb. 5 & 6). Dadurch schließen sie große, luftgefüllte Hohlräume (Interzellularen) e<strong>in</strong>, die bei<br />

der Verwendung als Docht den Saugstrom ermöglichen. Hier kann das flüssige Wachs oder<br />

Lampenöl nach oben zur Flamme fließen. Aber nicht alle Juncus-Arten eignen sich dafür, wie<br />

das Beispiel der Blaugrünen B<strong>in</strong>se (Juncus <strong>in</strong>flexus) zeigt, deren Stängel e<strong>in</strong> gekammertes<br />

Mark enthalten (Abb. 4).<br />

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