Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
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Aber wo sind die Gewalttäter? Gewalttäter, die es sich leisten können,<br />
die Menschen in solche Schubfächer zu schieben, um sie dann wieder<br />
herauszuziehen, wenn sie sie brauchen: zum Arbeiten, Kaufen, Beschulen,<br />
Wählen, Kriegführen. Und warum lassen die Menschen sich das gefallen?<br />
Warum finden es einige sogar gut?<br />
Mir und den Kindern innerhalb und außerhalb der Schubladen tritt<br />
diese Welt als gewaltige Organisation von Apparaten und Regeln entgegen.<br />
Alles erscheint mir geplant und vorgeschrieben. Sogar Unfälle sind<br />
geplant - rein versicherungsmäßig wenigstens. Die offizielle Erziehung in<br />
den Schulen und durch die Eltern beschränkt sich auf die Einübung in<br />
Verkehrsregeln innerhalb und außerhalb dieser Apparate und auf die<br />
ständige Wiederholung der Behauptung, daß das alles vernünftig und voller<br />
Sachzwänge sei. Nur die volle Anpassung an diese Regeln und Sachzwänge<br />
verspricht die Freiheit, nämlich die Konfliktfreiheit. Gegenüber<br />
solchen Vorstellungen der Oidnungsmächte benehmen sich die Kinder<br />
manchmal wie wilde Chaoten, die gezähmt werden müssen. Gezähmt<br />
durch die Macht der Verhältnisse. Wer nicht hören will, muß fühlen.<br />
Sachzwänge von der Klinik bis zur Bahre. Die Eltern, <strong>Lehrer</strong> und Nachbarn<br />
erscheinen als Sachwalter dieser Sachzwänge.<br />
Aber dieses Kinderleben aus Einsicht in die Notwendigkeit, die auch<br />
hier keine Not mehr wendet, entspricht nicht den Wünschen der Kinder<br />
nach Freiheit, Abenteuer und Glück. Mit der «List ihrer Unvernunft»<br />
schleichen sie subversiv durch die Gewalt der Verhältnisse, um sich ein<br />
bißehen Freiheit, Abenteuer und Glück zu verschaffen, das ihnen die be-=tonierte<br />
Gewalt nicht einmal mehr versprechen kann.<br />
Aber eine «positive Wirkung» hat die kindliche Verletzung der Sachzwänge<br />
doch: Mit ihren kleinen Regelverletzungen zur eigenen Gaudi<br />
und Bildung beschäftigen die Kinder und Jugendlichen nämlich ein ganzes<br />
Heer von Sozialpädagogen und Polizisten, die die Regelverletzer «integrieren»<br />
sollen. Die Nützlichkeit der Kleinkriminalität zur Sicherung<br />
von Arbeitsplätzen im pädagogisch-polizeilichen Bereich ist leicht zu beweisen:<br />
Man muß sich nur einmal die Begründungen <strong>für</strong> neue Planstellen<br />
in diesen Bereichen anschauen.<br />
Angesichts dieser Lebensverhältnisse und der Zukunftsperspektiven<br />
finde ich es allerdings nicht erstaunlich, daß die Jugendlichen selbst Gewalt<br />
ausüben. Daß sie zurückschlagen. Erstaunlicher ist doch, daß sie das<br />
erst jetzt tun, und nicht noch heftiger. Die Zukunft, <strong>für</strong> die sich Unterwerfung<br />
und Anpassung lohnen könnten, findet janicht statt. Vergleicht man<br />
aber die Gewalt der Jugendlichen und Kinder mit der, die sie umgibt, der<br />
sie sich unterordnen sollen, die sie mit millionenfachem Tod bedroht, gegen<br />
die sie sich verzweifelt und oft ganz unwissend wehren, dann kommt<br />
ganz viel Scheinheiligkeit und Zynismus der heutigen Machthaber ans<br />
Tageslicht. Die scheuen sich nämlich nicht, die Opfer, die sich wehren, als <br />
Gewalttäter abzustempeln und als Kriminelle.<br />
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