Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Dableiben zum Abhauen<br />
Mario, Jeepneyfahrer in Manila<br />
«Nein! Wer weggeht, kann nicht mehr abhauen. Abhauenvon hier kannst'<br />
du nur einmal. Mindestens eine Hoffnung hast du dann weniger. Eine<br />
Hoffnung, die hier ist. Außerdem, wer abhauen will, muß erst mal dableiben,<br />
sonst kann er's nicht mehr, weil er's schon ist. Und was macht so<br />
einer dann? Er geht wieder weg. Und wohin kann so einer gehen? Immer<br />
nur dahin, von wo er wieder abhaut. Sonst wäre so einer gleich dageblieben.<br />
Dann kommt er einmal hierher zurück, bestimmt nicht zufällig,<br />
kennt uns nicht mehr, sich auch nicht. Hier ist alles anders. Das haben wir<br />
dann und ohne ihn gemacht. Aber was soll's.»<br />
Ein Straßenphilosoph, dieser Mario. Auf der Straße verbringt er den<br />
großen Teil seines Lebens. Er ist Jeepneyfahrer in Manila. Und was er da <br />
gesagt hat, ist nur die Einleitung zu seiner Antwort auf meine Frage, ob er<br />
nicht manchmal raus will aus diesem Vehikel, in dem er nun schon über<br />
zehn Jahre durch die Straßen rast: St. Cruz - Taft - Libertad - Taft - St.<br />
Cruz. Das Ganze noch einmal. Das ist seine Strecke.<br />
Wenigstens zehnmal am Tag durch das Jeepneygewühl im Zentrum der<br />
Viermillionenstadt. Abfahren zum Kreislauf, um nach einer Stunde wieder<br />
dazusein. Selber nirgends hin zu wollen. Nurzu fahren. Mit 16 Leuten<br />
an Bord. Boogie und Rock in Stereo: Das ist sein Programm.<br />
Nachts leuchten die 16 Discolampen vierfarbig im Rhythmus der Musik.<br />
Die Pferde aufder Motorhaube wippen beim Gasgeben und Bremsen<br />
- also dauernd in diesem Gewühl. Als ob diese PS-Symbole, wie ihre'<br />
lebendigen Vorgänger, noch irgendwelche Kutschen ziehen müßten.<br />
Aber diese Zeiten sind vorbei, seit die Yankees - «hey, Boss» - ihre alten<br />
Jeeps nach ihrenvorläufig letzten Schlachten in dieser Gegend um Manila<br />
und in Vietnam hier verscheuert haben. Seit dieser Zeit fahren die ehemals<br />
graugrünen Jeeps als vergrößerte, bunt bemalte, ,bilderreiche Jeepneys<br />
mit Leuten durch Manila. Wahrscheinlich ist das die bunteste und<br />
friedlichste unter den «friedlichen Nutzungen» amerikanischer Armeeruinen<br />
in aller Welt. Ein «parfümierter Alptraum», dieses 9. Weltwunder?<br />
Übrigens: Das 8. liegt 350 km nördlich und besteht aus den 3000<br />
Jahre alten Reisterrassen des Ifugao-Volkes.<br />
Über 50000 dieser Jeepneys veranstalten den täglichen «Grand Prix<br />
Metro Manila». Ohne Sieger. Es geht um die Pesos, die die Fahrer und<br />
ihre Familien zum Leben brauchen. Wer nicht mithalten kann, wird zu<br />
Fuß abhauen müssen: in die Slums. Das ist eine furchtbare Drohung.<br />
195