Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
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einem wahnsinnig teuren Hotel, in dem mir die Gewerkschaft der <strong>Lehrer</strong><br />
eine Übernachtung spendiert hatte. Das war anno 1981 in einer Kleinstadt<br />
des schwäbischen Automobilbaus, in der Nacht einer Tagung arbeitsloser<br />
<strong>Lehrer</strong>. Es war eine etwas gespenstische Situation. Denn den<br />
meisten dieser jungen Leute paßten die Schulen in diesem Lande ganz<br />
und gar nicht, und doch wollten sie unbedingt einen Arbeitsplatz in ihnen<br />
haben. Die meisten hatten auch nichts anderes gelernt und kennengelernt<br />
als Schule, und von irgend etwas mußten sie ja leben. Andere glaubten,<br />
daß gerade sie der Schule noch gefehlt hätten, damit es den Kindern dort<br />
etwas besser ginge. Bei einigen konnte ich mir das sogar vorstellen.<br />
Also, Alter, hör mal zu:<br />
Und es begab sich also zu der Zeit, da unser Herr wieder einmal auf<br />
Erden wandelte, daß ersich umschauen wollte in dem Lande der Bildung,<br />
denn er hatte gehört, dort seien die Kassen und die Köpfe wüst und leer.<br />
Ob die Menschen auch den rechten Umgang pflegten mit den kostbarsten<br />
Gütern, die er ihnen anvertraut hatte: dem Geist, dem Körper und der<br />
Kinder? Das wollte er ergründen.<br />
Auf seinem Weg begegnete ihm zuerst ein Minister der Kultur. Und der<br />
Herr versucht mit ihm zu sprechen. Dieser aber hatte wie immer keine<br />
Zeit, doch er nahm sie sich. Glücklich, wer sich seine Zeit nehmen kann.<br />
Doch siehe, der Herr verstand die Sprache nicht, obwohl er ihrer doch<br />
allmächtig war. Der Minister der Bildung sprach von Lehrplanleisten,<br />
Curricula, gegenseitigen Anerkennungen, Chancengleichheiten, <strong>Lehrer</strong><br />
Feuerwehren, Normenkontrollen, Stellenpoolen, Angebots- und Bedarfssteuerungsinstrumenten<br />
sowie einer freiheitlichen Grundordnung.<br />
Nach alldem hatte der Herr nicht gefragt. Da aber der gebildete Minister<br />
sonst nichts zu sagen wußte und auch über die Jugend nur Böses aus seinem<br />
Mund floß von Faulheit, Zerstörung, Gierund Staatsverdrossenheit,<br />
wandte sich der Herr ab.<br />
Er ließ die Kindlein zu sich kommen. Diese aber hatten keine Zeit, und<br />
sie konnten sie sich auch nicht nehmen. Der Herr hatte sie schließlich in<br />
der großen Pause aufeinemSchulhofumsich geschart, und ersah, daß sie<br />
toben mußten, um nachher wieder eine Stunde stillsitzen zu können.<br />
Auch sie sahen merkwürdig aus, und der Herr glaubte seine Geschöpfe<br />
nicht wiederzuerkennen. Die einen, die größeren meist, sah er mit Taschenrechnern<br />
über den Platz laufen und sich ständig ihre Chancen ausrechnen,<br />
die sie bei ihrem höheren Streben trotz aller Chancengleichheit<br />
noch hatten. Ihre Beine und Arme waren ganz dünn und klein geworden<br />
und hingen direkt an einem riesig großen Kopf. Dann sah er Kinder, die<br />
ganz außer sich vor Zorn schreiend über den Platz rasten, oder andere,<br />
die in tiefer Trauer über sich und die Welt versunken auf der Treppe saßen.<br />
Einigen sah man an, daß sie nach Rache sannen. Niemand von diesen<br />
Kindern aber hatte einen Taschenrechner in der Hand und rechnete<br />
sich irgendwelche Chancen aus. Und doch war von ihnen zu be<strong>für</strong>chten,<br />
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