Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
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Die Sachzwänge, die in diese Bildungsprogramme installiert sind, nach<br />
denen die Lehrenden und Lernenden zu tanzen haben, werden mit den<br />
Sachzwängen des Lebens begründet, auf die Bildung vorbereiten soll,<br />
und diese Sachzwänge des Lebens wiederum begründen sich aus den ökonomisch-politischen<br />
Sachzwängen. Es ist ein Kreislauf der Begründungen,<br />
der mit dem des Marktes identisch ist. Wenn in die Waren- also auch<br />
in die Bildung, die einer gekauft hat - und in deren Konsum bestimmte<br />
Einstellungs- und Verhaltensvorschriften eingebaut sind, die Lebensvollzüge<br />
aber weitgehend aus Warenproduktion, -konsum und -tausch bestehen,<br />
worauf sie also reduziert sind, dann kann die Summe dieser einzelnen<br />
Verhaltensvorschriften als eine Art Lebensplan begriffen werden.<br />
Als «Curriculum», in dem der «gebildete» Mensch, der in den Waren<br />
steckt, selbst zur Ware wird: austauschbar, verbrauchbar, produzierbar,<br />
profitabel.<br />
Ein übriges eigenbestimmtes Leben könnte es <strong>für</strong> diese Menschen nur<br />
jenseits von Warenproduktion, Tausch und Konsum, jenseits dieses Lebensplans<br />
in seiner Verneinung geben. Freiheit erscheint nämlich in diesem<br />
Kreislauf der Sachzwänge und ihres Sach-Zwang-Bewußtseins nur in<br />
der freiwilligen Anpassung an eben diese Sachzwänge, in der Identifikation<br />
mit ihrem System. Wenn aber die jetzt herrschenden «Sachzwänge»<br />
der Warenproduktion und des Marktes in der ganzen Welt Zerstörung,<br />
Unterdrückung und Ausbeutung bedeuten, dann kann Freiheit, selbst<br />
dann, wenn wir sie nur als Einsicht in die Not-wendigkeit begreifen, nur<br />
als Ausbruch aus diesen Sachzwängen verstanden werden. Wir finden<br />
diese Freiheit heute, wenn auch oft in deformierter und auch selbstzerstörerischer<br />
Form in der Regelverletzung, in der heimlichen Produktion, im<br />
Partisanenleben der Subversion, in der Abweichung, in der Besonderheit<br />
im Widerstand. In dieser Verneinung ist noch ein Stück Utopie von den<br />
besseren Möglichkeiten dieser Welt als Hoffnung aufgehoben.Sie ist aber<br />
zugleich Kitt <strong>für</strong> das, was sie verneint.<br />
Wenn in die alltäglichen Lebensvorgänge das pädagogisch-didaktische<br />
Modell der Verhaltenssteuerung aus der Warenwelt eingebaut ist, dann<br />
sind andererseits diese Lebensvorgänge selbst pädagogisch betrachtbar:<br />
die Welt wird zu einer pädagogischen Provinz. Nicht, daß das falsch verstanden<br />
wird. Ich will nicht einer weiteren Pädagogisierung der Lebensverhältnisse<br />
und der Politik das Wort reden. Es gibt sie schon. Meine<br />
Frage geht ums Gegenteil: Wie kann mehr Unmittelbarkeit, menschliche<br />
Gegenseitigkeit in der Gemeinsamkeit, deren Voraussetzung ja die Verschiedenartigkeit<br />
und nicht die Uniformität ist, als Bedingung eines eigenen<br />
Lebens wieder erkämpft werden? Es geht also gerade gegen die Pädagogisierung<br />
aller Beziehungen, die zu Tauschbeziehungen uniformer,<br />
wenn auch ungleicher Warenbesitzer verkommen sind. Es geht um einen<br />
Versuch der Bewußtwerdung, also auch der Befreiung von diesen Deformationen<br />
durch die Änderung der Richtung der Veränderung.<br />
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