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Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck

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Der so fragte, heißt Kalle und ist noch immer <strong>Lehrer</strong> an einer Gesamtschule<br />

im kleinsten deutschen Bundesland. Deren zehnjähriges Jubiläum<br />

wollten einige <strong>Lehrer</strong> und Eltern mit einem großen Schulfest feiern. Er<br />

gehört zu den «Linken» im Kollegium dieser beim CDU-Elternverein<br />

schon immer noch als progressiv verschrienen Schule. Auch den Sozialdemokraten<br />

war die ganze Schule suspekt, dabei taten ihre <strong>Lehrer</strong> nur, was<br />

die sozialdemokratischen Bildungspolitiker ständig plauderten: Sie wagten<br />

etwas Demokratie und gingen auch nicht so geizig mit den höhersteIlenden<br />

Schulabschlüssen um. E>adurch wurden <strong>für</strong> einige Schüler die<br />

Chancen tatsächlich gleicher, was aber nichts daran änderte, daß es immer<br />

weniger Chancen gab.<br />

1970 hat Kalle mit einer radikalen Schulkritik und großen Hoffnungen<br />

im Kopf in Tag- und Nachtarbeit mit politischen Freunden, mit <strong>Lehrer</strong>n,·<br />

Schülern und Eltern begonnen, diese Schule aufzubauen. Lange, schier<br />

endlose Diskussionen um Ziele und Wege, Beschlüsse und Resolutionen<br />

in Planungsgruppen, Konferenzen, Voll- und Gewerkschaftsversammlungen<br />

gaben ihm das Gefühl, an etwas Großem, Wichtigem mitzuwirken.<br />

Die Schularbeit begriff er als politische Arbeit. In der politischen<br />

Arbeit sah er seine Identität. Also wurde seine Schularbeit seine Identität.<br />

Dieses Gefühl verstärkte sich noch durch «sein» Berufsverbot und<br />

«seinen» Gewerkschaftsausschluß - an denen er knapp vorbeisegelte.<br />

Dank der Solidarität der Kollegen, wie das mit ihm sympathisierende<br />

Zentralkomitee in seiner Volks-Zeitung erklärte. Dieserwohltuenden Interpretation<br />

des Sieges wollte er nicht widersprechen. Erwußte aber, daß<br />

es an etwas anderem gelegen hat. In «seiner» Anhörung hatte er «überzeugend<br />

darstellen können», daß er nicht nur «dem Volke dienen», sondern<br />

auch dem Staate treu sein würde. Noch sympathisierte er mit einer<br />

der Parteien der Arbeiterklasse, konnte sich aber nicht entschließen,<br />

«sich zu organisieren», wie man das damals nannte.<br />

Von 1973 bis 1977 hatte er nämlich hauptsächlich das Gefühl, daß der<br />

Weg «vorwärts im Kampf um den Aufbau des Sozialismus» aus lauter<br />

Abwehrgefechten besteht. Eine Niederlage schöner als die andere. Deshalb<br />

erfuhr er sie auch als Sieg: Unsere Theorie - nein, unser Programmstimmt.<br />

Der Staat ist wirklich so, wie erist. Die Massen sind wirklich noch<br />

nicht so, wie wir sind. Also müssen wir es ihnen vormachen. Darin war er<br />

wirklich Pädagoge. Er veranstaltete Kämpfe - nicht etwa, um einen Vorteil<br />

<strong>für</strong> sich herauszuschlagen, um etwas zu erreichen, so egoistisch war er<br />

nicht. Er veranstaltete Kämpfe, damit die Massen etwas lernten. Darum<br />

taten sie es aber nicht. Sie wollten nicht kämpfen, um etwas zu lernen,<br />

sondern um etwas zu erreichen. Von solchen Schulkämpfen hatten sie seit<br />

ihrer Schulzeit schon genug genossen. Sie gingen nicht einmal hin. Sie<br />

lasen nur in der Zeitung davon, und was da stand, das konnten sie nicht<br />

gut finden. Darin stimmten sie mit ihm überein, aber aus der entgegengesetzten<br />

Richtung.<br />

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