Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
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de die Differenz in der Breite ausgelöscht, und es gibt nur noch den Unterschied<br />
zwischen oben und unten, zwischen reich und arm, zwischen<br />
Macht und Ohnmacht. Das Land verkam zur Ressource, zum Reservoir,<br />
das man ausbeutet wie einen Stausee.<br />
Die alte Wahrheit, daß in einer Kommune mit mehr als dreitausend<br />
Menschen diese nicht mehr leben, sondern gelebt werden, wurde unbekannt<br />
und lebt heute nur noch als «romantische Sehnsucht» in den Herzen<br />
mittelständischer, kleinbürgerlicher Städter.<br />
Die Arbeitsteilung in den Bereichen der Lohnarbeit hat die Waren vermehrt,<br />
aber viele Fähigkeiten der Menschen zerstört und auch ihren Charakter.<br />
Sie können sich nicht mehr selber helfen, sie brauchen Helfer und<br />
Fürsorger, und sie wurden zu Konkurrenten. Die enge Weite des Landes<br />
wurde gegen die zugemauerte Entfernung der Stadt ausgetauscht. Aber<br />
ich denke, daß nur eine Region, in der es ein eigenes Bewußtsein von ihr<br />
gibt, auch überregional sein kann. Die Widerständler vom Hotzenwald.<br />
So vernagelt sie auch gewesen sein mögen, hatten Verbindungen zu den<br />
Freiheitskämpfern weit über ihre Region hinaus. Sie traten mit der Welt<br />
in Verbindung. Sie konnten das, weil sie etwas Eigenes waren. Auch eine<br />
Region kann eine Persönlichkeit sein. Heute ist sie das nur, wenn sie sich<br />
nicht uniformieren läßt, also im Widerstand. Die neuere «Entwicklung<br />
der Region» hat ihre Wunden aufgerissen. Ich sehe sie aus der Ferne klarer;<br />
so, wie früher die Schneeberge der Alpenkette, die den Horizont<br />
begrenzte: «Wohnen hinter den Bergen auch Menschen?» fragten hier die<br />
Kinder. Und der Großvater antwortete: «Wir wollen nicht grübeln.»<br />
Fränkische Wanderung<br />
Dann trieb ich mich in dieser Zeit in einem Teil von Franken herum, den<br />
sie dort «Schweiz» nennen. In der Gegend, um den Ort Hartenstein herum,<br />
traf ich Leute aus der großen Stadt in der Nähe. Sie liefen am Wochenende<br />
durch die Wälder und durch die Höhlen dieser Gegend. Sie<br />
sangen und redeten nächtelang über den Sinn ihres Lebens, über die<br />
schlechte Welt, über ihren Schmerz, über ihre Liebe und ihre Hoffnungen.<br />
Bei ihnen lernte ich die fränkische Sprache, in der das ganze Mittelalter,<br />
die Untertanen der Staufer, die Opfer der preistreibenden Händler<br />
und die Nürnberger Bauern im Knoblauchsland versammelt waren. Ich<br />
lernte in dieser Sprache denken und reden, indem ich den Leuten zuhörte<br />
und mit ihnen redete. Diesen jungen Leuten hier hätte man vielleicht die<br />
Zukunft überlassen sollen? Auf alle Fälle betrieben sie keinen Wiederaufbau.<br />
Sie lebten ein einfaches Leben, ohne den ständigen Komfort,<br />
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