Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
mit Begeisterung noch von den Jahren nach dem Krieg erzählen, in denen<br />
sie in wilden Kriegsruinen spielen konnten. Diewaren freundlicher als die<br />
Betonspielplätze, die sie <strong>für</strong> ihre Kinder gebaut haben. Und wo könnt ihr<br />
spielen?<br />
Schaut euch die Straßen an, auf denen die Menschen in ihren Blechwannen<br />
fliehen, Gott weiß wohin, und sich totrasen. Auf diesen Straßen<br />
jagen sie der Zeit hinterher, weil sie nicht in ihr leben, also haben sie auch<br />
kein Leben, denn das Leben ist Zeit.<br />
Schaut euch die Fabriken und Büros an, in denen die Menschen festgehalten<br />
werden und verkümmern, weil sie dauernd den immer gleichen<br />
Handgriff an irgendwelchen Maschinen machen müssen, die nicht die ihren<br />
sind. Aus denen Produkte herauskommen, die sie nicht einmal kennen<br />
und brauchen. Fabriken, in denen sie nichts zu sagen haben, aber ihre<br />
Lebenszeit abgeben müssen. In denen sie gehorchen und mitmachen<br />
müssen, in denen sie noch dankbar da<strong>für</strong> zu sein haben, daß sie dort verkümmern<br />
dürfen, um wenigstens einen Teil des geschaffenen Reichtums<br />
als Lohn zum Leben zu bekommen. In der gleichen Zeit leben einige<br />
wenige reiche und mächtige Leute von diesem Elend.<br />
Schaut euch die Kanonen, Düsenjäger und Atombomben an, die in<br />
solchen Fabriken gemacht werden und die sich jetzt aufalle richten, die sie<br />
gemacht haben. Die Menschen haben Angst vor ihren eigenen Werken.<br />
Schaut euch die Schulen an, in die man euch einsperrt, um euch auf<br />
dieses Elend vorzubereiten, anstatt daß man euch leben läßt, so wie ihr es<br />
könnt, wie ihr es versucht zum Beispiel hier mit Rika, eurer <strong>Lehrer</strong>in.<br />
Nicht einmal eure Sprache lassen sie euch mehr. Eure Sprache, in der ihr<br />
lebt, in der ihr alles sagen könnt, was euch wichtig ist, in der sie euch nicht<br />
verstehen. Und auch deshalb zwingen sie euch ihre Schriftsprache in den<br />
Mund, damit es euch eure Sprache verschlägt. Damit euch eure Wörter<br />
im Hals steckenbleiben. Und sie messen euren Wert daran, wie gut ihr<br />
ihre Sprache sprechen könnt, wie gut ihr eure Sprache verlernt habt.<br />
Schaut auch nach Afrika und nach Südamerika, wo die Menschen heute<br />
verhungern, immer ärmer werden, während die Regierungen hierzulande<br />
nicht mehr wissen, in welches Meer sie die Nahrungsmittel verklappen<br />
sollen wie Dünnsäure in die Nordsee.<br />
Schaut euch eure Zukunft an. Sie sagen euch, daß ihr einen Beruf<br />
braucht und daß ihr <strong>für</strong> diesen Beruf lernen sollt. Und so lernt ihr wenigstens<br />
neun Jahre lang <strong>für</strong> einen Beruf, den ihr doch nicht bekommt. So<br />
stehlen sie eure Zeit. Sie haben euch abgeschrieben, machen euch zum<br />
Bodensatz. Aber das seid ihr nicht.><br />
So ungefähr, nur viel gescheiter, hätte dieser weise Mann vielleicht zu<br />
euch gesprochen, wenn er an meiner Stelle hier wäre. Aber ich bin nicht<br />
sicher, denn schließlich hat er zu Lebzeiten <strong>für</strong> die Macht der Bürger<br />
gekämpft, die das dann alles angerichtet haben. Aber das konnte er ja<br />
nicht wissen, damals.<br />
61