14.01.2013 Aufrufe

Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck

Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck

Hohe Schule» für Lehrer - Johannes Beck

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

oder Unterrichtsraum mit Tischen und Stühlen und ein kleines Büro. Bei<br />

einigen der Hobelbänke stehen halbfertige Möbel, Fenster und Türen.<br />

Stell Dir also vor, Alter, da sind acht junge Frauen und Männer, die<br />

zusammenarbeiten ohne einen Chef, ohne einen <strong>Lehrer</strong>, nur weil sie das<br />

richtig finden und weil es <strong>für</strong> sie notwendigist. Unddaist noch einErwachsener,<br />

ein Schreinermeister, der arbeitet selber. Ihn können die jungen<br />

Leute fragen, wennsiewas nichtwissen, wennsiewas wissenwolIen, under<br />

antwortet, wenn er gefragt ist, und er antwortet, weil er antworten kann.<br />

Ich will Dir diese Geschichte ganz erzählen, so wie ich sie gesehen und<br />

gehört habe. Dreh Dich also ruhig mal im Grabe um, wisch Dir die Augen<br />

und die Ohren aus, Alter, damit Du mich auch sehen und hören kannst.<br />

Michel hat mir die Geschichte erzählt, und einiges habe ich selber gesehen:<br />

Nachdem er seinen Schulpflichtdienst absolviert hatte, verließ er die<br />

Schule. Er konnte seine arme Mutter nicht mehr länger <strong>für</strong> sich arbeiten<br />

lassen. Er fing eine Lehre in einer Autoreparaturwerkstatt an. Vier Wochen<br />

rumstehen, Frühstück holen, Werkstatt kehren, dann handlangern<br />

beim Blechbatscher- «Karosseriebauer» heißt erbei den Berufsbildfanatikern<br />

- und so weiter. Eine Arbeit stumpfsinniger als die andere.<br />

Heulen an jedem Abend. Das sollte also das Leben sein, aufdas sie ihn<br />

in seiner Schulpflichtzeit vorbereitet hatten? Non! Aber was dann?<br />

Vier Monate ging das jetzt schon so.<br />

Einige Freunde, mit denen er am Wochenende immer auf Fahrt ging,<br />

hatten Ähnliches erlebt. Niemand von ihnen wollte als Leichtlohnsklave<br />

weiterleben. Niemand wollte lernen, nur noch eine Sache zu können und<br />

alle anderen nicht mehr tun zu dürfen. So hatten sie sich Berufe nicht<br />

vorgestellt. Aber was jetzt?<br />

«Komm, laß uns nach Bremen gehen, etwas Besseres als den Tod fin­<br />

.dest du überall», sagte der Blechbatscherzum Schreibtischaufräumerund<br />

dieser zur Teekocherin und diese zum Packpapierstapier.<br />

«Wir machen selber einen Betrieb auf!» sagte die Teekocherin und erntete<br />

heißes Gelächter.<br />

«Eine Baracke können wir kriegen. Die steht leer. Sie soll in zwei Jahren<br />

abgerissen werden <strong>für</strong> eine Umgehungsstraße», meinte der Packpapierstapier.<br />

«Aber glaubt ihr denn, das dürfen wir? Das kriegen wir genehmigt?»<br />

fragte der Schreibtischaufräumer und erntete Hohngelächter.<br />

Langes Herumspinnen, Phantasieren wie so oft, die Welt stand offen,<br />

mindestens in der Phantasie. Schließlich gingen sie ans Werk. Eine Möbelreparaturwerkstatt<br />

sollte es werden.<br />

«Sägen kann jeder: Reden ist Silber, Sägen ist Gold.»<br />

Alte Holzwerkzeuge und sechs Hobelbänke gab es noch in der Barakke.<br />

Sie waren billig zu bekommen. Da niemand sie haben wollte, bekamen<br />

sie die jungen Leute als Kredit auf ihre Zukunft. Vier Wochen lang<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!