Go Pedelec Handbuch - Eltis
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Das Fahrrad ist unheilbar infiziert<br />
Fahrradliebhaber haben sich viele Jahre dagegen gewehrt und geglaubt das Fahrrad sei als eine der größten Ingenieurleistungen<br />
der Menschheit immun gegen den Virus der Elektronifizierung.<br />
Hannes Neupert<br />
Als Anfang der 90er Jahre einer der ersten ExtraEnergy Tests in »Radfahren«,<br />
dem damaligen Mitgliedermagazin des aDFC (Allgemeiner<br />
Deutscher Fahrrad Club) abgedruckt wurde, hagelte es massenweise<br />
Brandbriefe von aufgebrachten Lesern, die den Autor (der auch<br />
der Verfasser dieses Artikels ist) des Frevels bezichtigten, war er<br />
doch auf die Idee gekommen, über »Motor-Räder« zu schreiben<br />
und dies in einer Zeitschrift, die den heiligen Gral der mit reinster<br />
Muskelkraft getriebenen »Velocipede« hochhält!<br />
Für viele Radfahrer war allein der Gedanke an motorische Unterstützung<br />
eines Fahrrades ein Affront. Speziell für die politisch engagierten<br />
und organisierten Radler war es unvorstellbar, ein <strong>Pedelec</strong><br />
nur probezufahren. Es gehörte zum Selbst- und Weltbild, das<br />
geliebte Fahrrad in fast religiöser Demut täglich den Berg hochzuschieben<br />
oder ehrlich zu schwitzen – quasi eine Art Selbstkasteiung<br />
für eine saubere Umwelt, den Erhalt der Schöpfung und die<br />
nachfolgenden Generationen…<br />
Bei der Analyse der Entwicklungstrends der letzten 100 Jahre gibt<br />
es eine starke und unübersehbare Tendenz zur Elektrifizierung,<br />
die in den letzten 30 Jahren zur verschärften Form der Elektronifizierung<br />
mutiert ist. Die Fahrradbranche schien lange immun,<br />
doch spätestens 2010 kann man sagen, dass das Fahrrad als eines<br />
der letzten mechanischen Objekte in unserem Leben vom Virus<br />
der Elektronifizierung angesteckt worden und nun unheilbar infiziert<br />
ist. Das rein mechanische Fahrrad wird nach Einschätzung<br />
von ExtraEnergy in Zukunft nur noch in geschützten Nischen überleben<br />
und von elektronifizierten Rädern verdrängt werden.<br />
Anderen mechanischen Objekten ist es zuvor ähnlich ergangen.<br />
Heute vegetieren diese lediglich noch als Kultobjekte oder Dekorationselemente<br />
dahin. Beispiele von schon nahezu ausgestorbenen<br />
Gattungen sind: das Waschbrett, die mechanische Schreibmaschine,<br />
das mechanische Telefon, das mechanische Automobil, der<br />
mechanische/chemische Fotoapparat oder auch die Schallplatte.<br />
Ein »Schade eigentlich« drängt sich hier auf, doch vermisst man<br />
diese Produkte im täglichen Leben wirklich? Natürlich war es cool<br />
eine Vinylplatte auf den Drehteller zu legen und sich Musik analog<br />
mit allen Knacksern und Kratzern anzuhören – doch faktisch<br />
ist dieses Produkt heute komplett in »bits and bytes« als MP3 File<br />
aufgelöst. Platten hört man nur noch nostalgisch, während man<br />
sie digitalisiert.<br />
Hätte man jedoch einem Schallplattenhändler in den 80er Jahren<br />
des letzten Jahrtausends versucht zu erklären, wohin die Entwicklung<br />
geht, hätte er einen für völlig verrückt erklärt und weiter<br />
markt<br />
auf Platten gesetzt. So ähnlich ergeht es heute vielen Fahrradherstellern<br />
und -händlern, die noch nicht ganz akzeptieren möchten,<br />
dass für das mechanische Fahrrad keine Chance mehr auf Heilung<br />
vom Virus der Elektronifizierung besteht, sondern nur die Auferstehung<br />
durch Weiterentwicklung bleibt. Das mechanische Fahrrad<br />
ist tot, es lebe das <strong>Pedelec</strong>!<br />
die symptome des virus der elektronifizierung<br />
a Das Virus ist hochansteckend, das heißt es gibt viel mehr<br />
Kunden für das elektronifizierte Produkt. Die Vermehrung<br />
von Käufern kann im Verlauf der Infektion aufgrund der neu<br />
entstehenden Funktionen und damit Anwendungsfeldern<br />
sprunghaft ansteigen (Faktor 3 bis 30).<br />
B Die Versorgung mit der elektronifizierten Version des<br />
Produkts lassen sich angesteckte Kunden gern etwas kosten.<br />
Die vielen zusätzlichen Funktionen geben hier den Ausschlag.<br />
Die Preise steigen um den Faktor 3 bis 4.<br />
c Die Produkte der neuen Gattung haben oft eine radikal<br />
verkürzte Lebensdauer, die sich ökologisch negativ auswirkt.<br />
Aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten, veralten<br />
die Produkte immer schneller und Kunden fiebern Ersatz in<br />
immer schnellerer Folge entgegen. Der EnergyBus Standard<br />
könnte hier Abhilfe schaffen: zum Wohl des Kunden und der<br />
Umwelt auch wenn viele Hersteller lieber immer wieder alles<br />
neu liefern würden. Siehe Best Practice Seite 32<br />
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