Die Gelehrtenfamilie Stöckhardt - Uwe Fiedler, Dresden and ...
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Clara Schumann 65<br />
Jede neuere Biographie über Clara Schumann stellt die Frage: Was war<br />
zwischen Clara und Johannes Brahms? Den vierzehn Jahre jüngeren<br />
Komponisten lernte Clara 1853 kennen und schätzen; Robert Schumann<br />
selbst trug in einem Aufsatz Neue Bahnen für die Neue Zeitschrift für<br />
Musik dafür Sorge, dass dem bis dahin unbekannten Künstler öffentliche<br />
Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Schon bald nach der Einlieferung<br />
Schumanns in die Nervenheilanstalt im Jahr 1854 intensivierte sich der<br />
Kontakt zwischen Clara und Brahms. Fest steht, dass Brahms in Clara<br />
verliebt war; zahlreiche Briefe zeugen davon. Was sich aber in den Jahren<br />
1854 bis vornehmlich 1856 zwischen beiden zutrug, ist wenig erhellt. In<br />
beiderseitigem Einvernehmen vernichteten nämlich Clara und Brahms fast<br />
den gesamten Briefwechsel aus der Zeit bis 1858 anschließend. Allerdings<br />
hielt sich nur Brahms vollständig an die Abmachung; Clara behielt einige<br />
Briefe, die der Nachwelt etwas über ihre Beziehung verraten.<br />
Tatsache ist, dass Brahms eine Zeitlang mit Clara zusammen in der<br />
Düsseldorfer Wohnung wohnte. Ganz selten war Brahms ihr Begleiter auf<br />
Der junge Johannes Brahms<br />
Konzertreisen. Nach seinen Notizen hätte er ihre Nähe noch viel öfter erleben wollen, wagte es aber nicht:<br />
„Ich dachte – wie oft daran, zu Ihnen zu gehen. Aber ich fürchtete das Unpassende. Es kommt ja alles in die<br />
Zeitungen.“<br />
In seinen Briefen sind alle Formen der Anrede anzutreffen: Anfangs „Verehrte Frau“, dann „Teuerste Freundin“,<br />
schließlich „Innigst geliebte Freundin“, zuletzt „Geliebte Frau Clara“. Im Brief vom 25. November 1854 heißt es<br />
plötzlich:<br />
„Teuerste Freundin, wie liebevoll blickt mich das trauliche ‚Du‘ an! Tausend Dank dafür, ich kann’s nicht<br />
genug ansehen und lesen, hörte ich es doch erst; selten habe ich das Wort so entbehrt, als beim Lesen Ihres<br />
letzten Briefes.“<br />
Er, der Jüngere, hat es nicht gewagt, ein Du anzubieten, wird damit plötzlich konfrontiert und findet erst langsam in<br />
diese intime Anrede. Im Brief vom 31. Mai 1856 schreibt er in aller Deutlichkeit:<br />
„Meine geliebte Clara, ich möchte, ich könnte dir so zärtlich schreiben, wie ich dich liebe, und so viel Liebes<br />
und Gutes tun, wie ich dir’s wünsche. Du bist mir so unendlich lieb, dass ich es gar nicht sagen kann. In einem<br />
fort möchte ich dich Liebling und alles mögliche nennen, ohne satt zu werden, dir zu schmeicheln. […] Deine<br />
Briefe sind mir wie Küsse.“<br />
Claras Reaktion auf Brahms' Schwärmen ist nicht überliefert. Wie sie sich selbst sehen wollte, ergibt sich aus<br />
erhalten gebliebenen Tagebuchaufzeichnungen: Clara sollte als ruhmreiche Künstlerin in die Geschichte eingehen –<br />
und als Liebende, aber beschränkt auf die Person Robert Schumanns. Der Briefwechsel zwischen ihr und Brahms<br />
wurde nach dem Tod Robert Schumanns im Jahr 1856 erkennbar in seiner Intensität des persönlichen Austauschs<br />
zurückgefahren, was ebenfalls im Wesentlichen nur den von Brahms erhaltenen, in verhaltener Betroffenheit<br />
erstarrten Briefen entnommen werden kann.