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Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...

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4 <strong>Reproduktionsmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>internationalen</strong> <strong>Vergleich</strong> IV. Ethische Gesichtspunkte zu <strong>der</strong>zeitigen Behandlungsstandards <strong>der</strong> Fortpflanzungsmedizin 5<br />

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a) Selbstbest<strong>im</strong>mung/Patientenautonomie,<br />

b) Schadensvermeidung,<br />

c) Fürsorge,<br />

d) Gerechtigkeit/Fairness .<br />

Zu Punkt a): Im Sinn <strong>der</strong> ethischen Norm <strong>der</strong> Selbstbest<strong>im</strong>mung bzw.<br />

<strong>der</strong> Patientenautonomie sind das Recht <strong>der</strong> Patientinnen und <strong>der</strong> Kin­<br />

<strong>der</strong>wunschpaare auf reproduktive Selbstbest<strong>im</strong>mung (Fortpflanzungs­<br />

freiheit) sowie das Entscheidungsrecht <strong>der</strong> Patientin zu betonen, das<br />

für den ärztlichen Eingriff <strong>im</strong> Zusammenhang des Embryotransfers<br />

die Voraussetzung darstellt. Der Wunsch von Patientinnen und Paa­<br />

ren nach einem eigenen Kind ist menschlich nachvollziehbar sowie<br />

ethisch legit<strong>im</strong>. In <strong>der</strong> philosophie­, theologie­ und religionsgeschicht­<br />

lichen Überlieferung wurde <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>wunsch durchgängig als ein<br />

beson<strong>der</strong>s hohes Gut, an<strong>der</strong>s gesagt: als ein Existential, d. h. als eine<br />

Grundbest<strong>im</strong>mtheit des Menschseins gedeutet. Das philosophische<br />

und theologische Naturrecht ordnete den Fortpflanzungswunsch<br />

in die »natürlichen Neigungen« (inclinationes naturales) ein, die <strong>im</strong><br />

menschlichen Sein angelegt sind, an denen die Menschen in ihrer Le­<br />

bensführung Anhalt nehmen und die sie mit Hilfe <strong>der</strong> praktischen<br />

Vernunft ethisch gestalten sollen . Die jüdische Tradition hatte die<br />

Fortpflanzung sogar als sittlich­religiöse Pflicht angesehen . In <strong>der</strong><br />

Gegenwart ist zwar auch das Phänomen <strong>der</strong> gewollten Kin<strong>der</strong>losigkeit<br />

zu beobachten; kultur­ und medizingeschichtlich betrachtet war diese<br />

jedoch »noch in den 70er Jahren« des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts »praktisch un­<br />

Vgl. T. L. Beauchamp/J. F. Childress, Principles of Biomedical Ethics, New York/<br />

Oxford 4. Aufl. 1994.<br />

Vgl. E. Hildt, Autonomie in <strong>der</strong> biomedizinischen Ethik, Frankfurt/M. 2006.<br />

Vgl. F. Böckle, Fundamentalmoral, München 1977, 5. Aufl. 1991, 250, unter<br />

Bezugnahme insbeson<strong>der</strong>e auf Thomas von Aquin.<br />

Vgl. H.­J. Loth, Abtreibung/Empfängnisverhütung. Judentum, in: M. Klöcker/U.<br />

Tworuschka (Hg.), Ethik <strong>der</strong> Weltreligionen, Darmstadt 2005, 25ff.<br />

bedeutend« . Dass gewollte Kin<strong>der</strong>losigkeit seit wenigen Jahrzehnten<br />

vermehrt wahrnehmbar geworden ist, lässt sich auf die Bedingungen<br />

<strong>der</strong> Lebensführung in einer hochmo<strong>der</strong>nen mobilen Gesellschaft zu­<br />

rückführen . Hiervon bleibt aber gänzlich unberührt, dass Fortpflan­<br />

zung bzw. <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>wunsch nach wie vor zu den Existentialien o<strong>der</strong><br />

den »fundamentalen Zielgütern« menschlicher Lebensführung gehö­<br />

ren, so dass es ethisch legit<strong>im</strong> ist, ärztliche Unterstützung in Anspruch<br />

zu nehmen, sofern eine Kin<strong>der</strong>wunschbehandlung medizinisch/fort­<br />

pflanzungsmedizinisch indiziert ist. Dies gilt erst recht, wenn berück­<br />

sichtigt wird, dass ungewollte Kin<strong>der</strong>losigkeit, zumal in <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong><br />

Betroffenen selbst, Krankheitswert besitzt .<br />

Zu Punkt b): Für die morphologische Beobachtung früher Embryonen<br />

und den eSET ist es handlungsleitend, Schäden zu vermeiden, welche<br />

die Patientin, das vorgeburtliche Leben o<strong>der</strong> die geborenen Kin<strong>der</strong> da­<br />

durch erleiden können, dass Embryonen übertragen werden, die nur<br />

geringe Entwicklungschancen besitzen, o<strong>der</strong> wenn Mehrlingsschwan­<br />

gerschaften zustande kommen.<br />

Zu Punkt c): Im Sinn des bioethischen Prinzips <strong>der</strong> Fürsorge ist zu<br />

betonen, dass die <strong>Reproduktionsmedizin</strong> verpflichtet ist, das Wohl<br />

und die Gesundheit <strong>der</strong> erhofften Kin<strong>der</strong>, so weit wie es medizinisch<br />

möglich und ethisch vertretbar ist, präventiv zu berücksichtigen.<br />

M. Stauber, Kin<strong>der</strong>losigkeit/Kin<strong>der</strong>wunsch, in: Lexikon <strong>der</strong> Bioethik, Gütersloh<br />

1998, Bd. 2, 380–383, hier 380.<br />

Vgl. H. Kreß, Kin<strong>der</strong>wunsch und Kindeswohl in <strong>der</strong> Krise – sozialethische, reproduktionsmedizinische<br />

und medizinethische Gesichtspunkte, in: J. Eurich/P.<br />

Dabrock/W. Maaser (Hg.), Intergenerationalität zwischen Solidarität und Gerechtigkeit,<br />

Heidelberg 2008, 153–167.<br />

F. Böckle, a.a.O.<br />

Vgl. N.W. Paul, Gesundheit und Krankheit, in: St. Schulz u. a. (Hg.), Geschichte,<br />

Theorie und Ethik <strong>der</strong> Medizin, Frankfurt/M. 2006, 131–142, hier 139ff.

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