Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...
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104 <strong>Reproduktionsmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>internationalen</strong> <strong>Vergleich</strong> V. Notwendigkeit eines Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMG) aus rechtlicher Sicht 105<br />
wicklungsfähige Embryonen zu gewinnen, wie auf die Frau in einem<br />
Zyklus transferiert werden sollen. Dem Arzt stehe ein Beurteilungs<br />
spielraum zu, <strong>der</strong> nur überschritten werde, wenn die ärztliche Progno<br />
se nicht mehr vertretbar sei 0 . Zum Teil wird einschränkend gesagt,<br />
dass dieses Verfahren zumindest dann straffrei nach dem ESchG sei,<br />
wenn die Absicht besteht, zwei Embryonen zu übertragen (eDET).<br />
Diese Auslegung, die den eSET bzw. eDET bereits heute für zulässig<br />
hält, wi<strong>der</strong>spricht jedoch sowohl dem eindeutigen Wortlaut und<br />
Wortsinn des Gesetzes als auch dem systematischen Zusammen<br />
0 S. Frommel a.a.O. und die Diskussionsbeiträge <strong>im</strong> Journal für Reproduktions<br />
medizin und Endokrinologie in den Jahren 2004 und 2005.<br />
Als Argument für das Bestehen eines Beurteilungsspielraums des Arztes hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> zu befruchtenden Eizellen trotz Bestehen <strong>der</strong> Dreierregel werden<br />
in <strong>der</strong> Kontroverse gerne best<strong>im</strong>mte Gesetzesmaterialien herangezogen (Keller/<br />
Günther/Kaiser, Kommentierung zu § 1 Abs. 1 Nr. 5, Rn. 17, 169; Frommel, a.a.O.,<br />
S. 161; Nei<strong>der</strong>t, a.a.O., S. 283). Der Gesetzgeber habe, so wird gesagt, sogar eine<br />
»Viererregel« als zulässig angesehen. Zum Beleg dazu wird die Begründung des<br />
ursprünglichen Gesetzentwurfs zum ESchG (Drs. 11/5460) zitiert, in <strong>der</strong> es hieß:<br />
»Aufgrund bisheriger Erfahrungen ist davon auszugehen, dass es bei Verwendung<br />
einwandfreier Ei und Samenzellen in etwa 80 Prozent <strong>der</strong> Fälle zu einer extrakorporalen<br />
Befruchtung kommt. Auch <strong>der</strong> Arzt, <strong>der</strong> es aus medizinischen Gründen<br />
für angezeigt hält, drei o<strong>der</strong> vier Embryonen gleichzeitig zu transferieren, wird<br />
deshalb in keinem Fall genötigt sein, mehr als vier Eizellen zu befruchten.« (Drs.<br />
11/5640, S. 9) Allerdings enthielt <strong>der</strong> ursprüngliche Gesetzentwurf, zu dem diese<br />
Begründung gehörte, überhaupt noch keine zahlenmäßige Begrenzung <strong>der</strong> zu<br />
befruchtenden Eizellen, auch nicht in § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchGE. Der Gesetzgeber<br />
hat sich noch <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren selbst korrigiert und die Dreierregel<br />
in § 1 Abs. 1 Nr. 3 (und Nr. 4 betr. Gametentransfers) eingefügt. In <strong>der</strong> zur 3.<br />
Lesung vorgelegten Beschlussempfehlung (Drs. 11/8057), die den Gesetzentwurf<br />
Drs. 11/5640 samt Begründung ersetzt und die die maßgebliche Grundlage für<br />
die Verabschiedung des Gesetzes war, wird die in § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4 neu<br />
eingefügte Dreierregelung wie folgt begründet: »Die in § 1 Abs. 1 durch die neu<br />
einzufügenden Nummern 3 und 4 vorgeschlagenen Regelungen begründen die<br />
Koalitionsfraktionen damit, dass nach dem Stand <strong>der</strong> Wissenschaft und Praxis es<br />
nicht notwendig sei, mehr als drei Embryonen zu übertragen und mehr als drei<br />
hang <strong>der</strong> Nr. 3 und Nr. 5 und dem Willen des Gesetzgebers und den<br />
ethischrechtlichen Motiven des ESchG, bei denen <strong>der</strong> grundrechtlich<br />
erfor<strong>der</strong>liche Lebensschutz des Embryos invitro und damit zusam<br />
menhängend die Vermeidung <strong>der</strong> Entstehung überzähliger Embryo<br />
nen und die Verhin<strong>der</strong>ung einer Befruchtung auf Vorrat best<strong>im</strong>mend<br />
waren. Der Arzt n<strong>im</strong>mt es be<strong>im</strong> eSET/eDETVerfahren demgegenüber<br />
in Kauf, mehr Embryonen zu erzeugen als in einem Zyklus auf die<br />
Frau übertragen werden sollen.<br />
Als zusätzliches Argument für eine Anwendung des eSET/eDET be<br />
reits nach geltendem Recht wird auch gesagt, dass sich die Definition<br />
des Embryo in § 8 ESchG nach Sinn und Zweck nicht auf Embryo<br />
nen beziehen könnten, die vom Arzt als voraussichtlich nicht ent<br />
wicklungsfähig beurteilt werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die<br />
Definition des § 8 ESchG nicht nach dem Maß <strong>der</strong> Entwicklungs<br />
Eizellen zu befruchten, um die Einnistungsmöglichkeiten zu opt<strong>im</strong>ieren.« (Drs.<br />
11/8057, S. 14) Demnach hat sich <strong>der</strong> Gesetzgeber <strong>im</strong> vollen Bewusstsein <strong>der</strong> Problematik<br />
dafür entschieden, die <strong>im</strong> ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene<br />
offenere Regelung und den Beurteilungsspielraum aufzugeben und sowohl für<br />
die Befruchtung von Eizellen als auch für die Übertragung von Embryonen eine<br />
zahlenmäßig feststehende Höchstgrenze vorzuschreiben. Dass die Zahl drei nur<br />
in <strong>der</strong> Nr. 3 und nicht auch in <strong>der</strong> Nr. 5 festgeschrieben wurde, war gesetzestechnisch<br />
erfor<strong>der</strong>lich, um den Willen des Gesetzgebers umzusetzen: er wollte das<br />
Entstehen überzähliger Embryonen in allen Fällen (also z.B. auch dann, wenn<br />
Arzt und Paar die Absicht haben, nur ein o<strong>der</strong> zwei Embryonen zu transferieren)<br />
vermeiden. Hätte man in Abs. 1 Nr. 5 ebenfalls die Zahl drei festgeschrieben,<br />
wäre gerade nicht ausgeschlossen gewesen, mehr Embryonen zu befruchten, als<br />
übertragen werden sollen.<br />
§ 8 lautet: »(1): Als Embryo <strong>im</strong> Sinne dieses Gesetzes gilt bereits die befruchtete,<br />
entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt <strong>der</strong> Kernverschmelzung<br />
an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei<br />
Vorliegen <strong>der</strong> dafür erfor<strong>der</strong>lichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu<br />
einem Individuum zu entwickeln vermag. (2) In den ersten vierundzwanzig<br />
Stunden nach <strong>der</strong> Kernverschmelzung gilt die befruchtete menschliche Eizelle