Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...
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0 <strong>Reproduktionsmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>internationalen</strong> <strong>Vergleich</strong> IV. Ethische Gesichtspunkte zu <strong>der</strong>zeitigen Behandlungsstandards <strong>der</strong> Fortpflanzungsmedizin 1<br />
jeweils auf ihre Weise betont. In <strong>der</strong> christlichen Theologie erläuterten<br />
die Begriffe »Gesundheit« und »Gerechtigkeit« o<strong>der</strong> »Gesundheit« und<br />
»Heil« einan<strong>der</strong> wechselseitig. Die christliche Überlieferung hob den<br />
Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> seelischen und <strong>der</strong> leiblichen D<strong>im</strong>ension<br />
des Menschseins hervor und verstand Gesundheit <strong>im</strong> Horizont göttlicher<br />
Fürsorge und Gerechtigkeit. Ganz beson<strong>der</strong>s deutlich tritt die<br />
religiöse Hochschätzung von Gesundheit <strong>im</strong> Judentum und <strong>im</strong> Islam<br />
zutage 0 . Philosophische Hintergründe für die Deutung <strong>der</strong> Gesundheit<br />
als eines schutzwürdigen Gutes finden sich in <strong>der</strong> neuzeitlichen<br />
Naturrechts und Aufklärungsphilosophie, auf <strong>der</strong> die mo<strong>der</strong>nen Menschenrechtserklärungen<br />
fußen, sowie in <strong>der</strong> Sozialmedizin des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
0 . Darüber hinaus stellt es seit <strong>der</strong> Antike eine genuin ärztliche<br />
Verpflichtung dar, keinen Schaden zuzufügen (nil nocere) und<br />
zum Wohl des Patienten (salus aegroti) zu handeln 0 . Dieses Anliegen<br />
hat in <strong>der</strong> Gegenwart in die vier bioethischen Prinzipien Eingang gefunden,<br />
die oben in Abschnitt IV.2. erwähnt wurden.<br />
Vor diesem ethischen, kulturellen sowie interkulturellen Hintergrund<br />
ist es für die <strong>Reproduktionsmedizin</strong> unabweisbar, dem Gesundheitsschutz<br />
so umfassend wie möglich Rechnung zu tragen. Ob dieser<br />
ethischen Pflicht in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland bei fortpflanzungsmedizinischen<br />
Behandlungen <strong>im</strong> Blick auf die Patientin, das<br />
vorgeburtliche Leben und die geborenen Kin<strong>der</strong> angemessen nachgekommen<br />
werden kann, indem die wissenschaftlich möglichen Behandlungsstandards<br />
ausgeschöpft werden können, ist juristisch allerdings<br />
fraglich. Abgesehen von an<strong>der</strong>en Therapieoptionen, darunter<br />
0 Vgl. I. Ilkilic, Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in <strong>der</strong> islamischen<br />
Tradition, Bochum 3. Aufl. 2005; H.J. Loth, Gesundheit, Krankheit,<br />
Judentum, in: M. Klöcker/U. Tworuschka (Hg.), Ethik <strong>der</strong> Weltreligionen, Darmstadt<br />
2005, 132ff.<br />
0 Vgl. H. Kreß, Das Recht auf Gesundheitsschutz, a.a.O. 218ff.<br />
0 Vgl. K. Ulsenhe<strong>im</strong>er, Ärztliches Standesrecht, in: Lexikon <strong>der</strong> Bioethik Bd. 1,<br />
Gütersloh 1998, 256ff.<br />
<strong>der</strong> Prä<strong>im</strong>plantationsdiagnostik o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>im</strong> Einzelfall medizinisch<br />
begründbaren Eizellspende , ist unsicher, ob das Verfahren <strong>der</strong> mor<br />
phologischen Beobachtung früher Embryonen mit nachfolgendem<br />
eSET auf <strong>der</strong> Grundlage des ESchG praktiziert werden darf. Für Re<br />
produktionsmediziner entsteht hierdurch ein Konflikt zwischen Me<br />
dizin und Gesetzestreue, nämlich zwischen ihren Verpflichtungen,<br />
einerseits medizinisch bestmögliche, wissenschaftlich validierte Be<br />
handlungsstandards anzuwenden und an<strong>der</strong>erseits den Vorgaben des<br />
Gesetzgebers zu folgen. Zwar wird das Verfahren in verschiedenen<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n inzwischen offensichtlich bereits durchgeführt. An<br />
<strong>der</strong>erseits wird juristisch bestritten, dass dies zulässig sei.<br />
4. abwägung von handlungsfolgen<br />
Für die Beurteilung medizinischer Handlungsoptionen – hier: die<br />
morphologische Beobachtung von Embryonen mit eSET und auch<br />
die Blastozystenkultivierung – ist abgesehen von normativethischen<br />
o<strong>der</strong> prinzipienethischen Argumenten stets eine folgenethische Be<br />
trachtung erfor<strong>der</strong>lich. In die Abwägung von Handlungsfolgen flie<br />
ßen ihrerseits wie<strong>der</strong>um normative Aspekte ein. Folgenethisch sind<br />
Ñ<br />
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a) die Verantwortbarkeit eines Handlungsziels,<br />
b) die Vertretbarkeit <strong>der</strong> Mittel, die <strong>der</strong> Erreichung des Ziels<br />
dienen<br />
c) und die Handlungsnebenfolgen einschließlich unintendierter<br />
Neben o<strong>der</strong> Negativfolgen zu bedenken.<br />
Literatur zur Prä<strong>im</strong>plantationsdiagnostik: siehe oben Fußnote 90; Zur Eizellspende<br />
vgl. H. Kentenich/I. UtzBilling, Verbot <strong>der</strong> Eizellspende. Ist es medizinisch,<br />
psychologisch o<strong>der</strong> ethisch gerechtfertigt? in: Gynäkologische Endokrinologie<br />
2006; 4:229–234.