Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...
Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...
Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
0 <strong>Reproduktionsmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>internationalen</strong> <strong>Vergleich</strong> IV. Ethische Gesichtspunkte zu <strong>der</strong>zeitigen Behandlungsstandards <strong>der</strong> Fortpflanzungsmedizin 1<br />
4. Aus <strong>der</strong> Sicht einer Ethik <strong>der</strong> Rechtsordnung und in medizine<br />
thischer und medizinsoziologischer Hinsicht ist ferner hervorzuhe<br />
ben: Aufgrund des medizinischnaturwissenschaftlichen Wissens<br />
transfers zwischen den europäischen Staaten, <strong>der</strong> zunehmenden<br />
Internationalisierung geistes und rechtswissenschaftlicher Mei<br />
nungsbildungsprozesse und <strong>der</strong> Mobilität von Patientinnen und<br />
Patienten ist es unerlässlich geworden, für die rechtlichen Rege<br />
lungen, die in Deutschland gelten sollen, die Standards an<strong>der</strong>er eu<br />
ropäischer Staaten in die Überlegungen einzubeziehen 0 . Vor allem<br />
ist ethischrechtlich relevant, dass in Deutschland selbst zum Ver<br />
ständnis des frühen Embryos faktisch eine Pluralität von Stand<br />
punkten anzutreffen ist, zu denen neben dem Standpunkt des<br />
unbedingten Embryonenschutzes auch gradualistische und abwä<br />
gungsoffene Positionen gehören. So betrachtet sollten gesetzliche<br />
Regelungen diesem Sachverhalt des weltanschaulichreligiösen<br />
Pluralismus Rechnung tragen und es vermeiden, sich einseitig auf<br />
einen einzelnen religiösen o<strong>der</strong> metaphysischen Standpunkt fest<br />
zulegen: »Prämissen, die … nicht für alle Bürger eines säkularen<br />
Verfassungsstaates verallgemeinerungsfähig sind«, dürfen »deshalb<br />
auch nicht … für alle verbindlich gemacht werden« . Der Pluralis<br />
mus von Standpunkten, <strong>der</strong> gerade hinsichtlich <strong>der</strong> Deutung des<br />
frühen Embryos zu beobachten ist, existiert quer durch die Konfes<br />
sionen, Religionen, Weltanschauungen und philosophischen The<br />
oriebildungen. Empirischsozialwissenschaftliche Studien haben<br />
belegt, dass auch in Deutschland in <strong>der</strong> Bevölkerung zur Verwen<br />
dung früher Embryonen in <strong>der</strong> Fortpflanzungsmedizin (etwa <strong>im</strong><br />
0 Vgl. Bundesärztekammer, (Muster)Richtlinie zur Durchführung <strong>der</strong> assistierten<br />
Reproduktion, Novelle 2006, in: Deutsches Ärzteblatt 103 (2006) A1392A1403,<br />
A1392f.<br />
H. Dreier, a.a.O. 376 (zu Art. II 2 GG Rdnr. 67); in gleichem Sinn äußern sich<br />
bioethische Kommissionsberichte und zahlreiche rechtswissenschaftliche sowie<br />
ethische Publikationen.<br />
Zusammenhang <strong>der</strong> Prä<strong>im</strong>plantationsdiagnostik) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Stamm<br />
zellforschung ein breites Spektrum unterschiedlicher Meinungen<br />
vorhanden ist und dass die Handlungsoptionen <strong>der</strong> Reprodukti<br />
onsmedizin einen hohen Grad an Zust<strong>im</strong>mung finden . Aufgrund<br />
des hohen Gewichtes, das dem Grundrecht auf Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />
ethisch sowie verfassungsrechtlich zukommt, sollte Patientinnen<br />
und potentiellen Eltern <strong>im</strong> Blick auf die morphologische Best<strong>im</strong><br />
mung und den Transfer eines entwicklungsfähigen Embryos daher<br />
ein möglichst großer persönlicher Entscheidungsspielraum offen<br />
gehalten werden. Dies gilt erst recht deswegen, weil <strong>im</strong> Rahmen<br />
einer Güterabwägung <strong>der</strong> Gesundheitsschutz zugunsten dieses<br />
Verfahrens in Anschlag zu bringen ist.<br />
5. Als Ergebnis <strong>der</strong> ethischen Abwägung ist festzuhalten:<br />
Ñ<br />
Ñ<br />
Die Kryokonservierung von Embryonen für eine fortpflan<br />
zungsmedizinische Behandlung in einem späteren Zyklus ist<br />
ethisch legit<strong>im</strong>, weil hierbei intendiert wird, dass die Embry<br />
onen zum Leben gelangen, und weil hierdurch die Erfolgsaus<br />
sicht <strong>der</strong> reproduktionsmedizinischen Therapie (Geburtenrate)<br />
verbessert wird.<br />
Embryonen, die nach morphologischer Beobachtung o<strong>der</strong> Em<br />
bryokultivierung gegebenenfalls überzählig bleiben und nicht<br />
kryokonserviert werden sollen, dürfen zum Absterben beiseite<br />
gelegt werden, selbst wenn sie eventuell entwicklungsfähig sind.<br />
Vgl. T. Krones et al., Prä<strong>im</strong>plantationsdiagnostik, Pränataldiagnostik und<br />
Schwangerschaftsabbruch. Einstellungen in <strong>der</strong> Bevölkerung, von Experten<br />
und betroffenen Paaren, in: Gynäkologische Endokrinologie 2/ 2004, 245–249;<br />
dies. et al., Kin<strong>der</strong>wunsch und Wunschkin<strong>der</strong>, in: Ethik in <strong>der</strong> Medizin 18/2006,<br />
51–62; J. Barth et al., Der extrakorporale Embryo aus psychologischer Perspektive:<br />
Empirische Befunde aus <strong>der</strong> Befragung von Laien und Experten, in: G. Maio<br />
(Hg.), Der Status des extrakorporalen Embryos, StuttgartBad Cannstatt 2007,<br />
357–416.