28.01.2013 Aufrufe

Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...

Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...

Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4 <strong>Reproduktionsmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>internationalen</strong> <strong>Vergleich</strong> IV. Ethische Gesichtspunkte zu <strong>der</strong>zeitigen Behandlungsstandards <strong>der</strong> Fortpflanzungsmedizin 5<br />

juristischen Diskussion die Auffassung vertreten, dass das ESchG<br />

<strong>der</strong> Ärztin o<strong>der</strong> dem Arzt bei <strong>der</strong> Prognose <strong>der</strong> Entwicklungsfähig­<br />

keit faktisch eine Spannbreite des medizinischen Ermessens zuge­<br />

steht .<br />

2. Der Sache nach gelangt hiermit die Frage nach dem Schutz­<br />

anspruch und dem rechtlichen sowie moralischen Status des ex­<br />

trakorporalen Embryos in das Blickfeld . Aus ethischer Sicht ist<br />

zu unterstreichen, dass die Argumentationen, die einen »unbe­<br />

dingten« o<strong>der</strong> »kompromisslosen« Embryonenschutz postulierten,<br />

in den vergangenen Jahren weiter relativiert worden sind. Für die<br />

philosophische und ethische Debatte über den Embryonenstatus<br />

und Embryonenschutz spielten und spielen vor allem die SKIP­Ar­<br />

gumente eine Rolle . Sie arbeiten auf, welche ethisch­normativen<br />

Schlussfolgerungen aus <strong>der</strong> Spezies­Zugehörigkeit des Embryos (S),<br />

aus <strong>der</strong> Kontinuität seines Werdens (K), aus seiner Individualität<br />

und Identität (I) sowie aus seiner Potentialität (P), sich zum vollen<br />

Menschsein zu entwickeln, zu ziehen sind. Als Kern <strong>der</strong> SKIP­Krite­<br />

Vgl. R. Nei<strong>der</strong>t, »Entwicklungsfähigkeit« als Schutzkriterium und Begrenzung<br />

des Embryonenschutzgesetzes, in: Medizinrecht 2007; 25:279–296, hier 284f.,<br />

siehe hierzu Kap. V.<br />

Auf den Sachverhalt, dass das Entstehen überzähliger Embryonen nach IVF<br />

ethischer Reflexion bedarf, machte in <strong>der</strong> neueren Diskussion z.B. wie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Philosoph Jan Beckmann aufmerksam; vgl. J. Beckmann, Zur Novellierung des<br />

Stammzellgesetzes aus ethischer Sicht, in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik<br />

Bd. 12, Berlin/New York 2007, 191–216, hier 213.<br />

Ausführlichere Angaben zu neuerer Literatur: siehe unten Fußnote 120 und<br />

121. Aus <strong>der</strong> älteren Literatur sei exemplarisch genannt: H.­M. Baumgartner<br />

u.a., Menschenwürde und Lebensschutz: Philosophische Aspekte, in: G. Rager<br />

(Hg.), Beginn, Personalität und Würde des Menschen, Freiburg/München 1997,<br />

161–242, hier 213ff., 228–239.<br />

rien gilt das Potentialitätsargument. In <strong>der</strong> philosophischen und<br />

ethischen Diskussion <strong>der</strong> zurückliegenden Jahre ist daher noch ein­<br />

mal erneut durchdacht worden, inwiefern <strong>der</strong> Embryo tatsächlich<br />

die »Fähigkeit« (Potentialität) besitzt, sich aus sich selbst heraus<br />

fortzuentwickeln, und ob o<strong>der</strong> inwieweit hieraus gegebenenfalls<br />

spezielle Schutzansprüche ableitbar sind . Zur Aussagekraft des<br />

Kriteriums <strong>der</strong> Entwicklungsfähigkeit sind dabei kritische Rück­<br />

fragen aufgeworfen worden, und zwar unter an<strong>der</strong>em die Fragen,<br />

auf welches best<strong>im</strong>mte Ziel hin <strong>der</strong> Embryo sich eigentlich entwi­<br />

ckelt (nur auf eine nächste Stufe des vorgeburtlichen Werdens o<strong>der</strong><br />

auf die Geburt o<strong>der</strong> eine spätere Phase des Menschseins?) und ob<br />

für seine Entwicklung nicht auch die mütterlichen Umgebungsbe­<br />

dingungen o<strong>der</strong>, was den Embryo in­vitro anbetrifft, technische<br />

Rahmenbedingungen konstitutiv sind. Die umfangreiche philo­<br />

sophische, theologische und religionsvergleichende Debatte zum<br />

Potentialitätsargument, mit dem oftmals <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e Schutz­<br />

anspruch des frühen Embryos begründet wurde, kann hier nicht<br />

wie<strong>der</strong>gegeben werden 0 . Inzwischen gelten die Begriffe »Potenti­<br />

Das Potentialitätsargument spielt auch für die deutsche Gesetzgebung eine tragende<br />

Rolle, da <strong>der</strong> <strong>im</strong> Embryonenschutz­ und Stammzellgesetz anzutreffende,<br />

soeben erwähnte Begriff <strong>der</strong> »Entwicklungsfähigkeit« auf die Idee <strong>der</strong> Potentialität<br />

zurückgreift.<br />

Die meisten frühen Embryonen sind allerdings ohnehin nicht fortentwicklungsfähig<br />

(auch nicht <strong>im</strong> Sinn <strong>der</strong> Implantationsfähigkeit), son<strong>der</strong>n sterben<br />

von Natur aus frühzeitig ab.<br />

0 Vgl. z.B. G. Damschen/D. Schönecker (Hg.), Der moralische Status menschlicher<br />

Embryonen, Berlin 2003; D. Birnbacher, Wie überzeugend ist das Potentialitätsargument?,<br />

in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik Bd. 11, Berlin/New York<br />

2006, 327–335; H. Kreß, Das Kriterium <strong>der</strong> Potentialität <strong>im</strong> Schnittfeld zwischen<br />

humaner embryonaler Stammzellforschung und <strong>Reproduktionsmedizin</strong>. § 8<br />

ESchG in heutiger ethischer Reflexion, in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik<br />

Bd. 11, Berlin/New York 2006, 337–350; Chr. Rehmann­Sutter, Altered Nuclear<br />

Transfer, Genom­Metaphysik und das Argument <strong>der</strong> Potentialität. Die ethische<br />

Schutzwürdigkeit menschlicher Embryonen in vitro, in: Jahrbuch für Wissen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!