Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...
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<strong>Reproduktionsmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>internationalen</strong> <strong>Vergleich</strong> IV. Ethische Gesichtspunkte zu <strong>der</strong>zeitigen Behandlungsstandards <strong>der</strong> Fortpflanzungsmedizin<br />
Für die ethische Legit<strong>im</strong>ierung <strong>der</strong> morphologischen Beobachtung<br />
und des eSET spielt <strong>der</strong> Schutzanspruch <strong>der</strong> mit medizinischer Assistenz<br />
geborenen Kin<strong>der</strong> eine entscheidende Rolle, da das Verfahren<br />
darauf abzielt, gesundheitliche Schäden zu vermeiden, die für Kin<strong>der</strong><br />
aus Mehrlingsschwangerschaften resultieren. <strong>Reproduktionsmedizin</strong>er<br />
legen selbst großen Wert auf die Feststellung, dass sie für das geborene<br />
Kind beson<strong>der</strong>e Verantwortung tragen. So hat zum Beispiel die<br />
European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE)<br />
hervorgehoben: »It is in the public interest to establish boundaries<br />
that respect this special biological entity, the embryo, and reflect a responsible<br />
attitude, especially towards the child resulting from assisted<br />
reproductive technology. Thus the child’s welfare and our responsibility<br />
are of utmost concern« 0 . Das Postulat, bei einer fortpflanzungsmedizinischen<br />
Behandlung das gesundheitliche Wohl des erhofften<br />
Kindes prospektiv bzw. präventiv zu beachten, hat sich in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland nun auch die Bundesärztekammer explizit zu<br />
eigen gemacht. In <strong>der</strong> neuen, 2006 verabschiedeten Musterrichtlinie<br />
zur assistierten Reproduktion heißt es: »Der hohe Anspruch an das<br />
Kindeswohl gilt auch für den Umgang mit dem noch nicht geborenen<br />
Kind.« Die Richtlinie betont die Verantwortung, die eine Ärztin o<strong>der</strong><br />
ein Arzt »für das Wohl des mit ihrer/seiner medizinischen Assistenz erzeugten<br />
Kindes« tragen, und unterstreicht: »Die ärztliche Pflicht, zum<br />
Wohl <strong>der</strong> Patienten zu handeln und Schaden zu vermeiden, bezieht<br />
sich auf die Mutter und auf die erwünschten Kin<strong>der</strong>« 0 . Folgerichtig<br />
0 ESHRE Task Force on Ethics and Law, The moral status of the pre<strong>im</strong>plantation<br />
embryo, in: Hum Reprod. 2001; 16:1046–1048, 1046.<br />
0 Bundesärztekammer, (Muster)Richtlinie zur Durchführung <strong>der</strong> assistierten Reproduktion,<br />
Novelle 2006, in: Deutsches Ärzteblatt 2006; 103:A1392–A1403,<br />
A1393; In <strong>der</strong> Schweiz ist das »Kindeswohl« als Kriterium <strong>der</strong> Fortpflanzungsmedizin<br />
gesetzlich verankert worden; vgl. das Bundesgesetz über die medizinisch<br />
unterstützte Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG) vom 18.<br />
Dezember 1998, Artikel 3.<br />
legt die Präambel <strong>der</strong> BundesärztekammerRichtlinie dem Gesetzge<br />
ber nahe, dem Gesundheitsschutz abträgliche Vorgaben, namentlich<br />
die Restriktion gegenüber <strong>der</strong> morphologischen Beobachtung von<br />
Embryonen, zu korrigieren 0 .<br />
Grundsätzlich ist die ethische und rechtliche Norm des Gesundheits<br />
schutzes als Schutz und Abwehrrecht, aber auch als Anspruch auf<br />
bestmögliche Versorgung zu verstehen, den <strong>der</strong> Staat nach Maßgabe<br />
seiner Möglichkeiten so weit wie möglich gewährleisten soll 0 . Ihre<br />
Plausibilität ergibt sich schon allein aus moralischer Intuition. In aktu<br />
ellen Debatten wird die sog. Ethik des Heilens zwar manchmal kritisch<br />
hinterfragt. Ihr hoher Rang erweist sich jedoch daran, dass das the<br />
rapeutische Ethos des Arztes und die Norm des Gesundheitsschutzes<br />
nicht nur in rechtlichen o<strong>der</strong> in ärztlichstandesethischen Dokumenten,<br />
son<strong>der</strong>n in einer sehr breiten philosophischen, theologischen und<br />
religiösen Tradition verankert sind. Für den einzelnen Menschen stellt<br />
Gesundheit ein fundamentales o<strong>der</strong> transzendentales Gut dar, das die<br />
Voraussetzung dafür bildet, persönliche Fähigkeiten entfalten, Ziele realisieren<br />
und zugunsten an<strong>der</strong>er Menschen handeln zu können. Verschiedene<br />
Religionen, neben dem Christentum insbeson<strong>der</strong>e das Judentum<br />
und <strong>der</strong> Islam, haben den Wert <strong>der</strong> menschlichen Gesundheit<br />
0 Vgl. Bundesärztekammer, a.a.O. A1393.<br />
0 Vgl. O. Seewald, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, Köln u.a. 1981; E.<br />
Mack, Das Menschenrecht auf Gesundheit, in: N. Knoepffler/A. Haniel (Hg.),<br />
Menschenwürde und medizinethische Konfliktfälle, Stuttgart/Leipzig 2000,<br />
183–202; H. Kreß, Medizinische Ethik, Stuttgart 2003, 58–87, 131ff., 135 u.<br />
pass<strong>im</strong> (die 2., erweiterte u. überarb. Aufl. erscheint Ende 2008); <strong>der</strong>s., Das<br />
Recht auf Gesundheitsschutz. Kulturelle Basis – normative Funktion – Konkretion<br />
am Beispiel <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>rechte, in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik<br />
Bd. 9, Berlin/New York 2004, 211–231; P. Kirchhof, Das Recht auf Gesundheit,<br />
in: V. Schumpelick/B. Vogel (Hg.), Grenzen <strong>der</strong> Gesundheit, Freiburg/Br. 2004,<br />
442–460; A. Verselyté, Das Recht auf Gesundheitsschutz in <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union, Frankfurt/M. 2005.