28.01.2013 Aufrufe

Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...

Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...

Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich - Bibliothek der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Reproduktionsmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>internationalen</strong> <strong>Vergleich</strong> IV. Ethische Gesichtspunkte zu <strong>der</strong>zeitigen Behandlungsstandards <strong>der</strong> Fortpflanzungsmedizin<br />

mehr, es entfaltet sich <strong>im</strong> Zuge des Lebensprozesses von innen her,<br />

nach Maßgabe eigener Organisation« . Die Grenzen des Potenti­<br />

alitätsarguments, die voranstehend angesprochen wurden, sind<br />

freilich nicht nur für die ethische, son<strong>der</strong>n ebenfalls für die ver­<br />

fassungsrechtliche Urteilsfindung relevant . Darüber hinaus wird<br />

aus verfassungsrechtlicher Sicht schon seit längerem dargelegt,<br />

dass zwischen Würdeschutz und Lebensschutz zu differenzieren<br />

ist. Gemäß Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes ist die Würde des<br />

Menschen unantastbar, wohingegen <strong>der</strong> Schutz des Lebens, den<br />

die staatliche Rechtsordnung garantiert, unter Umständen rela­<br />

tivierbar ist . Ungeachtet dessen, ob o<strong>der</strong> in welcher Weise und<br />

mit welchen Argumenten bereits dem pränidativen Embryo <strong>der</strong><br />

volle Würdeschutz zugesprochen wird, bleibt es daher möglich,<br />

seinen Lebensschutz unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen und un­<br />

ter engen Bedingungen zur Disposition zu stellen. Hierauf hat in<br />

verfassungsrechtlicher Perspektive jetzt erneut <strong>der</strong> Präsident des<br />

Bundesverfassungsgerichts, Hans­Jürgen Papier, aufmerksam ge­<br />

macht. Zur Frage des Umgangs mit frühen Embryonen in <strong>der</strong> Pha­<br />

se vor <strong>der</strong> Nidation betonte er: »Wenn man Art. 1 Abs. 1 und Art.<br />

2 Abs. 2 GG – an<strong>der</strong>s als es das Bundesverfassungsgericht 1993 in<br />

seiner zweiten Abtreibungsentscheidung getan hat – voneinan<strong>der</strong><br />

abschichtete und Art. 1 Abs. 1 GG nicht in je<strong>der</strong> Hinsicht mit <strong>der</strong><br />

expliziten Garantie des Art. 2 Abs. 2 GG identifizierte, käme man<br />

E.­W. Böckenförde, Menschenwürde als normatives Prinzip, in: Juristenzeitung<br />

58/2003, 809–815, hier 812. Vgl. z. B. auch Chr. Starck, Ist die finanzielle För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Forschung an embryonalen Stammzellen durch die Europäische<br />

Gemeinschaft rechtlich zulässig?, in: Europarecht 41/2006, 1–25.<br />

Vgl. H.­G. Koch, Embryonenschutz ohne Grenzen?, in: J. Arnold u.a. (Hg.),<br />

Menschengerechtes Strafrecht. FS Albin Eser, München 2005, 1091–1118, hier<br />

1100ff. (= Abschnitt 3 b »Entwicklungsfähigkeit«), bes. 1103f.<br />

Art. 2 Abs. 2 GG: »Je<strong>der</strong> hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.<br />

Die Freiheit <strong>der</strong> Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund<br />

eines Gesetzes eingegriffen werden.«<br />

vielleicht zu einer gewissen – auch gedanklichen – Flexibilität bei<br />

<strong>der</strong> Lösung <strong>der</strong> auf uns zukommenden Probleme. Denn Art. 2 Abs.<br />

2 GG ließe eine gestaltende Regelung des Gesetzgebers eher zu,<br />

da das Grundrecht auf Leben nicht vorbehaltlos gewährt wird, es<br />

gleichwohl aber ein hohes Schutzniveau garantiert.« Schon allein<br />

dieser Gedankengang verdeutlicht, dass Abstufungen des vorge­<br />

burtlichen Lebensschutzes verfassungs­ o<strong>der</strong> grundrechtlich legi­<br />

t<strong>im</strong> sind und sich für frühe Embryonen ebenso wie ethisch auch<br />

verfassungsrechtlich ein Abwägungsspielraum aufzeigen lässt .<br />

In die gleiche Richtung weist es, dass innerhalb <strong>der</strong> Ethik bezo­<br />

gen auf das vorgeburtliche Leben in jüngster Zeit ein beziehungs­<br />

ethischer Denkansatz entfaltet worden ist. Diesem zufolge ist statt<br />

auf den Embryo als »für sich allein stehendes, unabhängiges We­<br />

sen, das zu einem best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt mit allen Attributen des<br />

Menschseins ausgestattet wird«, vielmehr auf den »Embryo <strong>im</strong><br />

Kontext« und auf die Perspektive <strong>der</strong> Frau bzw. <strong>der</strong> Eltern, d.h. auf<br />

die Beziehungsd<strong>im</strong>ension zwischen Mutter und vorgeburtlichem<br />

Leben <strong>der</strong> Blick zu richten .<br />

H.­J. Papier, Die Würde des Menschen ist unantastbar, in: R. Grote u.a. (Hg.),<br />

Die Ordnung <strong>der</strong> Freiheit. FS Christian Starck, Tübingen 2007, 371–382, hier<br />

381. Vgl. bereits Chr. En<strong>der</strong>s, Embryonenschutz als Statusfrage?, in: Zeitschrift<br />

für Rechtsphilosophie 1/2003, 126–139; H. Dreier, in: <strong>der</strong>s. (Hg.), Grundgesetz.<br />

Kommentar, Tübingen 2. Aufl. 2004, 181ff.; Bioethik­Kommission Rheinland­<br />

Pfalz/Ministerium <strong>der</strong> Justiz Rheinland­Pfalz, Fortpflanzungsmedizin und Embryonenschutz.<br />

Medizinische, ethische und rechtliche Gesichtspunkte zum<br />

Revisionsbedarf von Embryonenschutz­ und Stammzellgesetz. Bericht <strong>der</strong> Bioethik­Kommission<br />

des Landes Rheinland­Pfalz vom 12. Dezember 2005, 51ff.,<br />

83 u. pass<strong>im</strong>.<br />

Vgl. R. Alleweldt, Recht auf Leben, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hg.), Konkordanzkommentar<br />

zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, Tübingen<br />

2006, 437–478, hier 446f. Zur Differenzierung zwischen Würde und Lebensschutz<br />

aus ethischer Sicht vgl. H. Kreß, Medizinische Ethik, Stuttgart 2003,<br />

125ff.; <strong>der</strong>s., Embryonenstatus, a.a.O., 44f.<br />

C. Wiesemann, Von <strong>der</strong> Verantwortung, ein Kind zu bekommen. Eine Ethik<br />

<strong>der</strong> Elternschaft, München 2006, 33.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!