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Munich School of Management Magazine 2011/12 - Fakultät für ...

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International<br />

Japan – Lehre und Forschung<br />

trotz Fukushima<br />

Pr<strong>of</strong>. Franz Waldenberger (rechts) diskutiert Fragen der Führungskräfteentwicklung<br />

mit HR Experten (von links) Shigeki Egami (Mitsubishi Fuso), Hitoshi<br />

Yamanishi (Nomura) und Sakie Tachibana-Fukushima (G&S Global Advisors)<br />

während des Symposiums am Vormittag des 11. März im Keidanren Kaikan<br />

in Tokyo (SATOKO KAWASAKI PHOTOS)<br />

Nach einer am Vormittag mit dem japanischen Unternehmerverband<br />

Keidanren veranstalteten Konferenz zur Führungskräfteentwicklung<br />

in Deutschland und Japan kaum in meinem<br />

Apartment zurück, fing das Beben an. Es waren nur wenige<br />

Sekunden, aber gefühlt war es eine kleine<br />

Ewigkeit. Die Geräusche, die das schwankende<br />

Gebäude von sich gab, waren fast<br />

noch beängstigender. Das Ganze wiederholte<br />

sich an dem Tag in der Stärke noch<br />

zwei Mal. Aber außer dem Schrecken<br />

hatte ich zum Glück keinen Schaden zu<br />

verzeichnen. Wäre das Land so gut auf<br />

die Tsunami vorbereitet gewesen wie auf<br />

das Erdbeben, dann hätte es wohl nur Bewunderung<br />

aus dem Ausland auf sich gezogen.<br />

Bewunderung verdiente jedenfalls<br />

die Ruhe, mit der Millionen Pendler an<br />

dem Abend sich zu Fuß auf den Weg nach<br />

Hause machten, weil das Schienennetz auf<br />

Schäden überprüft werden musste. Angesichts<br />

der Tatsache, dass man so glimpflich<br />

davongekommen war, hätte man in Tokyo Tower<br />

60 | LMU – <strong>Munich</strong> <strong>School</strong> <strong>of</strong> <strong>Management</strong> <strong>2011</strong>/<strong>12</strong><br />

Tokyo Feste feiern können. Aber Berichte und Bilder über das<br />

wahre Ausmaß der Katastrophe 250 km weiter im Norden, über<br />

die verheerenden Folgen der Flutwellen und die Havarie der<br />

Atomanlage in Fukushima sorgten <strong>für</strong> tiefe Betr<strong>of</strong>fenheit und<br />

schürten Ängste. Die H<strong>of</strong>fnung, dass das Schlimmste überstanden<br />

war und dass nicht passieren würde, was nicht passieren<br />

durfte sowie der Wunsch nach Normalität erwiesen sich dennoch<br />

als stärker. Die große Panik und der Exodus, von den<br />

evakuierten Auslandskräften in internationalen Unternehmen<br />

abgesehen, blieben aus. Die Berichterstattung in Deutschland<br />

erschien demgegenüber geradezu hysterisch.<br />

Das Leben in Tokyo - auf einen Schlag aus der Normalität<br />

herausgerissen – kehrte schnell wieder zur Tagesordnung zurück.<br />

Prüfungen, die an meiner Gastuniversität <strong>für</strong> den Folgetag<br />

angesetzt waren, fanden wie selbstverständlich statt. Das<br />

Sommersemester verlief wie geplant, allerdings wegen der Notwendigkeit,<br />

Strom einsparen zu müssen, in weniger gekühlten<br />

und weniger hellen Gebäuden. Einige Universitäten verkürzten<br />

den Lehrbetrieb, um den Sparauflagen Folge leisten zu können.<br />

Unfassbar, dass nur wenige hundert Kilometer entfernt<br />

20.000 Menschen ihr Leben verloren hatten oder vermisst<br />

wurden, und Hunderttausend nach wie vor in Notunterkünften<br />

untergebracht waren. Unglaublich aber auch, wie schnell<br />

der Wiederaufbau gelang. Die Unsicherheit um das Ausmaß<br />

an radioaktiver Verseuchung und mögliche damit verbundene<br />

Folgen belastet noch heute die Lebensqualität, vor allem in<br />

der näheren Umgebung von Fukushima. De facto praktiziert<br />

das Land gerade den Ausstieg aus der Kernenergie. Von den 54<br />

Atomkraftwerken waren im Februar nur noch drei in Betrieb<br />

und Ende April wird es keines mehr sein, wenn der regionale<br />

Widerstand nicht gebrochen wird. Hier zeigt sich einmal mehr<br />

die Schwäche der Regierung, die anstatt zu<br />

entscheiden, wartet was geschieht.<br />

Mein auf 18 Monate begrenzter Aufenthalt<br />

ging am Ende viel zu schnell vorbei.<br />

Japan ist und bleibt eine Reise und auch<br />

einen längeren Aufenthalt wert. Die Erdbebengefahr<br />

ist real. Aber wie soll man sie<br />

wohl einordnen? Das Land hat kulturell,<br />

wissenschaftlich und technologisch enorm<br />

viel zu bieten. Sein größtes Problem besteht<br />

darin, dass es diese Vorzüge selbst nicht<br />

gut verkauft. Das ist nicht nur das Handicap<br />

einer Kultur, in der Selbstdarstellung<br />

nicht sehr geschätzt wird. Es ist auch das<br />

Unvermögen der Politik, die zu sehr in<br />

Partikularinteressen verstrickt ist, um das<br />

Land international angemessen vertreten<br />

zu können. Pr<strong>of</strong>. Franz Waldenberger

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