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[PDF] Jugendsexualität im Wandel der Zeit (2009) - Jugendarbeit.ch

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Prof. Pierre-André Mi<strong>ch</strong>aud, Chefarzt, Interdisziplinäre Fa<strong>ch</strong>stelle für Gesundheit von Jugendli<strong>ch</strong>en<br />

CHUV, Lausanne / Christina Akré, Ethnologin, Fors<strong>ch</strong>ungsbeauftragte, Fors<strong>ch</strong>ungsgruppe Gesundheit<br />

von Jugendli<strong>ch</strong>en, Institut Universitaire de Médecine Sociale et Préventive, Lausanne<br />

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Um zu verstehen, wie si<strong>ch</strong> die Sexualität von Jugendli<strong>ch</strong>en<br />

in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat,<br />

muss man mehrere gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Verän<strong>der</strong>ungen<br />

berücksi<strong>ch</strong>tigen, die das Umfeld, in dem si<strong>ch</strong> die affektiv-sexuelle<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en vollzieht,<br />

stark geprägt haben.<br />

Das klassis<strong>ch</strong>e Familienbild, wie es gemäss Ariès <strong>im</strong><br />

18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>t entstanden ist, verliert <strong>im</strong>mer<br />

mehr Einfluss an das Modell <strong>der</strong> Kernfamilie<br />

o<strong>der</strong> sogar <strong>der</strong> Pat<strong>ch</strong>work-Familie (1). Der relativ<br />

starre Rahmen, <strong>der</strong> bis in die 1960/70er Jahre<br />

vorherrs<strong>ch</strong>te, wurde dur<strong>ch</strong> flexiblere und man<strong>ch</strong>mal<br />

las<strong>ch</strong>e Erziehungsmethoden ersetzt. Eines <strong>der</strong><br />

wi<strong>ch</strong>tigsten Ereignisse in den letzten 50 Jahren ist<br />

unbestritten die «Revolution» <strong>der</strong> 68er-Bewegung,<br />

die wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> stark zur Liberalisierung des Sexualverhaltens<br />

beigetragen hat – und zwar sowohl<br />

bei Jugendli<strong>ch</strong>en als au<strong>ch</strong> bei Erwa<strong>ch</strong>senen. Die Fragmentierung<br />

und die Vielfalt <strong>der</strong> an Jugendli<strong>ch</strong>e vermittelten<br />

Werte stellen junge Mens<strong>ch</strong>en vor Ents<strong>ch</strong>eidungen,<br />

die sie früher ni<strong>ch</strong>t zu treffen hatten.<br />

In einem sozialen Umfeld, das den Hedonismus und<br />

das Vergnügen begünstigt, müssen Jugendli<strong>ch</strong>e ihre<br />

eigenen Überzeugungen, Haltungen und Normen in<br />

Bezug auf ihre Sexualität entwickeln (2).<br />

Ausserdem hat si<strong>ch</strong> die Rolle des Körpers <strong>im</strong> Alltagsleben<br />

stark verän<strong>der</strong>t (3); unsere Gesells<strong>ch</strong>aft<br />

neigt dazu, Sinnsu<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> Empfindungssu<strong>ch</strong>e zu<br />

ersetzen (4). Diese Empfindungssu<strong>ch</strong>e, von <strong>der</strong> die<br />

Verwendung von psy<strong>ch</strong>oaktiven Substanzen und <strong>der</strong><br />

Hang zu Extremverhalten zeugen, ist bei Jugendli<strong>ch</strong>en<br />

eine Reaktion auf die körperli<strong>ch</strong>en und pubertären<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, die sie dur<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>en. Das<br />

Bild, das gewisse Medien über das Sexualleben vermitteln,<br />

ist von dieser Entwicklung ni<strong>ch</strong>t ausgenommen;<br />

<strong>der</strong> Erfolg von Viagra etwa ist ein Ausdruck unter<br />

vielen dieses Strebens na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Hö<strong>ch</strong>stleistung<br />

– sei sie nun körperli<strong>ch</strong> o<strong>der</strong> sexuell. Zudem hat si<strong>ch</strong><br />

das Verhältnis zur Int<strong>im</strong>ität ziemli<strong>ch</strong> verän<strong>der</strong>t (2,<br />

5). Das zeigt si<strong>ch</strong> an <strong>der</strong> <strong>im</strong>mer stärker ausgeprägten<br />

Verwendung des enthüllten, nackten und ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

differenzierten Körpers, sowie an <strong>der</strong> Verbreitung<br />

von persönli<strong>ch</strong>en Darstellungen, Home Stories<br />

und audiovisuellen Inszenierungen. Die in letzter <strong>Zeit</strong><br />

aufgekommenen Reality Shows sind ein gutes Beispiel<br />

dafür.<br />

No<strong>ch</strong> dazu greift die Medizin <strong>im</strong>mer stärker in<br />

die Sexualität ein. Neue Fortpflanzungs- und Verhütungste<strong>ch</strong>niken<br />

bauen die physiologis<strong>ch</strong>en Zwänge<br />

<strong>im</strong>mer weiter ab, denen <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong> und vor allem<br />

die Frau bisher unterlagen. Die Vermarktung des<br />

Impfstoffs gegen das Papillomavirus ist <strong>der</strong> neuste<br />

Beweis für dieses Phänomen.<br />

Angesi<strong>ch</strong>ts dieser bedeutenden gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Verän<strong>der</strong>ungen könnte man lei<strong>ch</strong>t glauben, das Sexualverhalten<br />

<strong>der</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en habe si<strong>ch</strong> in den<br />

letzten 30 bis 40 Jahren radikal verän<strong>der</strong>t. In Wirkli<strong>ch</strong>keit<br />

ist <strong>der</strong> <strong>Wandel</strong> des Sexualverhaltens selbst<br />

ni<strong>ch</strong>t so ausgeprägt, wie man erwarten könnte – au<strong>ch</strong><br />

wenn si<strong>ch</strong> seit den 1960er Jahren einige Verän<strong>der</strong>ungen<br />

bemerkbar ma<strong>ch</strong>en. Der bedeutendste <strong>Wandel</strong><br />

ist eher <strong>im</strong> Berei<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Einstellungen und Vorstellungen<br />

zu beoba<strong>ch</strong>ten. Drei wi<strong>ch</strong>tige Ereignisse, die<br />

den Umgang <strong>der</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en mit ihrer Sexualität<br />

prägten, folgten etwa <strong>im</strong> Abstand von jeweils einem<br />

Jahrzehnt aufeinan<strong>der</strong>.<br />

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Das erste herausragende Ereignis <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte<br />

war das Aufkommen <strong>der</strong> Antibabypille, zu<br />

<strong>der</strong> Jugendli<strong>ch</strong>e über die S<strong>ch</strong>affung von Familienplanungsstellen<br />

(eine zugegebenermassen merkwürdige<br />

Bezei<strong>ch</strong>nung für die Betreuung von Jugendli<strong>ch</strong>en)<br />

in den 1970er Jahren allmähli<strong>ch</strong> Zugang erhielten.<br />

Fast glei<strong>ch</strong>zeitig liess die Bereitstellung von effizienten<br />

Antibiotika gegen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tskrankheiten die<br />

S<strong>ch</strong>reckgespenster Tripper und Syphilis zurückwei<strong>ch</strong>en.<br />

Diese beiden Faktoren – vor allem die Vermarktung<br />

<strong>der</strong> oralen Verhütung und <strong>der</strong>en zunehmende<br />

Verbreitung – ermögli<strong>ch</strong>ten Frauen und Männern,<br />

sexuelles Vergnügen und Fortpflanzung klar zu trennen.<br />

Im Übrigen besteht wohl ein Zusammenhang<br />

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