[PDF] Jugendsexualität im Wandel der Zeit (2009) - Jugendarbeit.ch
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eingebürgerte Kin<strong>der</strong> und Jugendli<strong>ch</strong>e und diejenigen<br />
aus binationalen Ehen. Ein Grossteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />
und Jugendli<strong>ch</strong>en in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz haben somit einen<br />
Migrationshintergrund und bewegen si<strong>ch</strong> in transnationalen<br />
Räumen. In diesen Räumen wird die Konstruktion<br />
von sexueller Identität von hiesigen, sowie<br />
von transkulturellen Normen beeinflusst.<br />
Die Begegnung von Kin<strong>der</strong>n und Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
mit und ohne Migrationshintergrund ist ein alltägli<strong>ch</strong>es<br />
Erlebnis und ist intensiver, als es die Erwa<strong>ch</strong>senen<br />
erleben können. Sie verbringen den Grossteil<br />
ihrer S<strong>ch</strong>ulzeit in S<strong>ch</strong>ulen, in denen die Anzahl <strong>der</strong><br />
ausländis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>üler je na<strong>ch</strong> Region,<br />
Stadt o<strong>der</strong> Quartier fast bei einem Viertel liegt 4<br />
– ohne die transnationalen Kin<strong>der</strong> zu zählen, die einen<br />
s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Elternteil haben.<br />
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Sexualität hat <strong>im</strong> Leben <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t nur eine<br />
zentrale Bedeutung, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> einen zentralen<br />
Platz 5 . Sexualität ist geprägt von gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Normen und bezei<strong>ch</strong>net die Gesamtheit <strong>der</strong> Empfindungen<br />
und Interaktionen, die eine Person in Bezug<br />
auf ihr Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t hat. Sexualität umfasst jegli<strong>ch</strong>e Art<br />
sexuellen Verhaltens, Phantasien, Gedanken, Träume<br />
o<strong>der</strong> sexuelle Orientierungen.<br />
Jede Person hat eine sexuelle Identität und die erlebte<br />
Sexualität wird in allen Kulturen au<strong>ch</strong> als eine Form<br />
des Ausdrucks von Liebe zwis<strong>ch</strong>en zwei Personen<br />
verstanden. Sexualität ist ein soziales Konstrukt, das<br />
si<strong>ch</strong> in einer Vielfalt von Verhalten und Einstellungen<br />
von Frauen und Männern zeigt. Ihre Konstruktion<br />
<strong>im</strong> Migrationskontext wird von den hiesigen gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Normen determiniert und benötigt differenzierte<br />
Lerns<strong>ch</strong>ritte.<br />
Ebenso wie die Erwa<strong>ch</strong>sensexualität heterogen<br />
ist, ist es au<strong>ch</strong> die <strong>Jugendsexualität</strong>. Diese wi<strong>der</strong>spiegelt<br />
die Vielfalt von jungen Frauen und Männern in<br />
<strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz, mit grossen und kleinen Unters<strong>ch</strong>ieden<br />
zwis<strong>ch</strong>en den s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>regionen,<br />
Gruppierungen und Kulturszenen. Da «die» o<strong>der</strong><br />
4 Die «Die Anzahl <strong>der</strong> ausländis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>üler und S<strong>ch</strong>ülerinnen in <strong>der</strong><br />
obligatoris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule steigt vor allem <strong>im</strong> Laufe <strong>der</strong> 1990er Jahre an<br />
(um mehr als 38%), stabilisierte si<strong>ch</strong> und n<strong>im</strong>mt seit 2004 ab. In den<br />
letzten Jahren ist <strong>der</strong> Anteil ausländis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>ulkin<strong>der</strong> am Total <strong>der</strong><br />
S<strong>ch</strong>üler und S<strong>ch</strong>ülerinnen in <strong>der</strong> obligatoris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule relativ konstant.<br />
Er liegt fast bei einem Viertel». Vielfalt S<strong>ch</strong>ule. Bundesamt für<br />
Statistik, Neu<strong>ch</strong>âtel <strong>2009</strong>.<br />
«<strong>der</strong>» Jugendli<strong>ch</strong>e mit Migrationshintergrund ni<strong>ch</strong>t<br />
existiert, ist die <strong>Jugendsexualität</strong> <strong>im</strong> Migrationskontext<br />
heterogen.<br />
Die Identitätsbildung ist ein Resultat des Zusammenspiels<br />
von individuellen und kollektiven<br />
Leistungen. Die Lerns<strong>ch</strong>ritte, die diese Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
brau<strong>ch</strong>en, um ihre Identität zu entwickeln, sind differenziert<br />
und unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> ein wenig von denen<br />
<strong>der</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en ohne Migrationshintergrund – vor<br />
allem da in <strong>der</strong> Identitätsbildung als junge Frau o<strong>der</strong><br />
junger Mann die Auseinan<strong>der</strong>setzung zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong><br />
gemeins<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en o<strong>der</strong> kollektiven Identität (z.B.<br />
Haltung des Ramadans, Rituale, nationale Feiertage,<br />
Essengewohnheiten, u.a.) und <strong>der</strong> gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Identität (z.B. Weihna<strong>ch</strong>tsfeier, Pünktli<strong>ch</strong>keit, Familienkonzept,<br />
u.a.) no<strong>ch</strong> stärker ist.<br />
Hans-Rudolf Wicker 6 s<strong>ch</strong>reibt in seinem Artikel über<br />
die <strong>im</strong>aginierten Gemeins<strong>ch</strong>aften folgendes über die<br />
Generierung von Identitäten: «Im Unters<strong>ch</strong>ied zu<br />
persönli<strong>ch</strong>en Identitäten, die von Individuen selbst<br />
generiert werden (müssen), haben kollektive Identitäten<br />
ihren Ursprung in <strong>der</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft, das heisst,<br />
in jedem Zusammenleben von Mens<strong>ch</strong>en, das von<br />
diesen als gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> wahrgenommen wird.»<br />
Da nun aber Staatsvölker nie homogen sind, son<strong>der</strong>n<br />
si<strong>ch</strong> aus vers<strong>ch</strong>iedenen Einheiten zusammensetzen,<br />
die si<strong>ch</strong> in Min<strong>der</strong>heiten und Mehrheiten unters<strong>ch</strong>eiden,<br />
entsteht ein Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en<br />
ihnen. Gruppen, die zu diesen Einheiten gehören, berufen<br />
si<strong>ch</strong> auf eine mutmassli<strong>ch</strong>e religiöse, ethnis<strong>ch</strong>e,<br />
soziale, nationale o<strong>der</strong> kulturelle Zugehörigkeit. Diese<br />
Zugehörigkeit kann na<strong>ch</strong> Aussage von Prof. Wicker<br />
zu gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Konflikten führen.<br />
Jugendli<strong>ch</strong>e, die in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz zu Min<strong>der</strong>heitengruppen<br />
gehören, sind in ihrem Alltag mit sol<strong>ch</strong>en<br />
Konflikten konfrontiert. Ihre Identitätsbildung wird<br />
von <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft sowie von nationalen<br />
o<strong>der</strong> kulturellen Gruppen geprägt. Wie sie<br />
mit diesen Konflikten umgehen, hängt stark von den<br />
Entfaltungsmögli<strong>ch</strong>keiten ab, die die Mehrheitskultur<br />
– in diesem Sinne die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Kultur –<br />
5 Wie Marie Langer und an<strong>der</strong>e Sexualwissens<strong>ch</strong>aftler wie Krafft-Ebbing<br />
und Havelock Ellis ges<strong>ch</strong>rieben haben. Marie Langer (1988):<br />
Mutters<strong>ch</strong>aft & Sexus. Körper und Psy<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Frau. Freiburg i. Breisgau:<br />
Kore. S. 45.<br />
6 Terra Cognita 13/2008. S.14–17<br />
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