[PDF] Jugendsexualität im Wandel der Zeit (2009) - Jugendarbeit.ch
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Peter Kaenel, Mitglied <strong>der</strong> EKKJ und Vorsteher des kantonalen Jugendamts Bern<br />
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... alle. Vorab die Kin<strong>der</strong> und Jugendli<strong>ch</strong>en selbst,<br />
natürli<strong>ch</strong>. Aber au<strong>ch</strong> die Eltern, selbstverständli<strong>ch</strong>.<br />
Dann aber au<strong>ch</strong>, viellei<strong>ch</strong>t etwas weniger selbstverständli<strong>ch</strong>,<br />
die Medien. Der mediale «Glücksfall» Ramona<br />
ist so ein Beispiel, die Homestory einer bei näherer<br />
Betra<strong>ch</strong>tungsweise tragis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te: eine<br />
13-jährige wird Mutter und da ist au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ein min<strong>der</strong>jähriger<br />
Erzeuger, den die Presse zum Fototermin<br />
ans<strong>ch</strong>leppt. Eine Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, die au<strong>ch</strong> Fortsetzungsstorys<br />
verspri<strong>ch</strong>t. O<strong>der</strong> die Sexges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten rund um<br />
den FC T. o<strong>der</strong> die S<strong>ch</strong>ulen in Züri<strong>ch</strong>-Seeba<strong>ch</strong> und<br />
Steffisburg. Der Zeigefinger in den Medien ist nie weit<br />
und <strong>der</strong> Voyeurismus <strong>der</strong> Erwa<strong>ch</strong>senen versteckt si<strong>ch</strong><br />
hinter <strong>der</strong> Maske <strong>der</strong> sog. «Betroffenheit» und manifestiert<br />
si<strong>ch</strong> auf den Leserbriefseiten. Dabei: Es ist ja<br />
gar ni<strong>ch</strong>t so, dass die Jugend verantwortungslos mit<br />
<strong>der</strong> Sexualität umgeht. Ganz <strong>im</strong> Gegenteil. Die Jugend<br />
hat grundsätzli<strong>ch</strong> einen verantwortungsvollen Umgang mit<br />
<strong>der</strong> Sexualität. Wahr ist, dass sexuelles Verhalten entspre<strong>ch</strong>end<br />
<strong>der</strong> Akzeleration <strong>der</strong> körperli<strong>ch</strong>en Reife<br />
früher einsetzt als no<strong>ch</strong> Mitte des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Studien zeigen aber au<strong>ch</strong>, dass diese Entwicklung<br />
si<strong>ch</strong> verlangsamt hat. Aber ni<strong>ch</strong>t nur <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong>punkt<br />
<strong>der</strong> körperli<strong>ch</strong>en Reife hat si<strong>ch</strong> geän<strong>der</strong>t. Au<strong>ch</strong><br />
die Moralvorstellungen <strong>der</strong> Erwa<strong>ch</strong>senen und damit<br />
<strong>der</strong> Gesells<strong>ch</strong>aft sind an<strong>der</strong>s geworden und das gesamte<br />
Umfeld hat si<strong>ch</strong> diesbezügli<strong>ch</strong> geän<strong>der</strong>t. Die<br />
Sexualität ist ganz allgemein unbes<strong>ch</strong>werter geworden.<br />
Glückli<strong>ch</strong>erweise.<br />
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Das Internet hat eine wa<strong>ch</strong>sende Bedeutung <strong>im</strong> Berei<strong>ch</strong><br />
<strong>der</strong> Sexualität. Der te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritt hat<br />
Pornographie allgemein und einfa<strong>ch</strong> zugängli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t.<br />
Ungewollt und unvermittelt werden Kin<strong>der</strong>,<br />
wel<strong>ch</strong>e beispielsweise für S<strong>ch</strong>ularbeiten re<strong>ch</strong>erieren,<br />
mit sexuellen Inhalten konfrontiert. Auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>n Seite spiegelt Pornographie eine fals<strong>ch</strong>e Normalität<br />
sexuellen Ges<strong>ch</strong>ehens vor, wel<strong>ch</strong>e Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
au<strong>ch</strong> fals<strong>ch</strong>e Massstäbe setzen kann. Wobei<br />
anzufügen ist, dass die lei<strong>ch</strong>te Verfügbarkeit pornographis<strong>ch</strong>er<br />
Inhalte die Jugendli<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t zu einer<br />
hohen Zust<strong>im</strong>mung verleitet. Weiter ist na<strong>ch</strong> wie vor<br />
festzustellen, dass viele Eltern no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>im</strong> «Internet-<strong>Zeit</strong>alter»<br />
angekommen sind. Will heissen, sie<br />
haben kaum einen Überblick über Mögli<strong>ch</strong>keiten und<br />
Bedeutung des Internets für die ihnen in dieser Hinsi<strong>ch</strong>t<br />
weit überlegenen Heranwa<strong>ch</strong>senden. Umgekehrt<br />
kann man au<strong>ch</strong> feststellen, dass das Internet<br />
die Chance ist, an sexuelles Wissen heranzukommen,<br />
wel<strong>ch</strong>es allen früheren Generationen kaum o<strong>der</strong> nur<br />
sehr s<strong>ch</strong>wer zugängli<strong>ch</strong> war.<br />
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Die Online-Beratung spielt heute eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle.<br />
Sie kann und soll elterli<strong>ch</strong>e und s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>e Aufklärung<br />
ni<strong>ch</strong>t ersetzen o<strong>der</strong> verdrängen, kann sie aber<br />
dort verantwortungsbewusst ergänzen, wo elterli<strong>ch</strong>e<br />
o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>e Aufklärung regelmässig an<br />
Grenzen stösst. Ni<strong>ch</strong>t nur ist Sexualität ein Gebiet,<br />
auf wel<strong>ch</strong>em grundsätzli<strong>ch</strong> je<strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong> seine eigene<br />
Identität und Rolle selber finden muss, sie ist au<strong>ch</strong><br />
ein Phänomen, wel<strong>ch</strong>es si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> innerfamiliären Diskussion<br />
ab einer gewissen Tiefe weitgehend entzieht.<br />
Den Eltern fällt in <strong>der</strong> Regel s<strong>ch</strong>on eine (grundsätzli<strong>ch</strong>e)<br />
Aufklärung über die Sexualität ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t, wie<br />
si<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong> Tatsa<strong>ch</strong>e ergibt, dass eine sol<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t<br />
dur<strong>ch</strong>wegs erfolgt. Die elterli<strong>ch</strong>e Aufklärungsquote<br />
ist dort höher, wo au<strong>ch</strong> sonst ein Vertrauensverhältnis<br />
in <strong>der</strong> Familie besteht, wobei offenbar den Müttern<br />
(allein) die S<strong>ch</strong>lüsselrolle zukommt. Do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
in aufges<strong>ch</strong>lossenen Milieus hört die Mitteilsamkeit<br />
hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> sexueller Empfindungen, Vorlieben, Aktivitäten<br />
und Erfahrungen verständli<strong>ch</strong>erweise bald<br />
einmal auf. Ganz abgesehen von kulturellen und religiösen<br />
Hin<strong>der</strong>nissen, wel<strong>ch</strong>e sol<strong>ch</strong>en Fragestellungen<br />
entgegenstehen. Au<strong>ch</strong> für die Jugendli<strong>ch</strong>en selbst<br />
ist <strong>im</strong> Übrigen die elterli<strong>ch</strong>e Sexualität erfahrungsgemäss<br />
ein Tabu-Thema. Für die S<strong>ch</strong>ule gelten ähnli<strong>ch</strong>e<br />
Überlegungen, soweit die (eigene) Lehrers<strong>ch</strong>aft<br />
die Aufgabe <strong>der</strong> Sexualaufklärung übern<strong>im</strong>mt. Nur<br />
dort, wo s<strong>ch</strong>ulexterne Profis in Sexualkunde engagiert<br />
sind, ist die notwendige Distanz gegeben, wel<strong>ch</strong>e<br />
Voraussetzung ist für eine umfassende Aufklärung.<br />
Wenn si<strong>ch</strong> viele für die Jugendli<strong>ch</strong>en brennende Fragen<br />
gerade ni<strong>ch</strong>t über die Eltern beantworten lassen,<br />
folgt ohne weiteres daraus, dass Online-Beratung<br />
s<strong>ch</strong>on wegen ihres einfa<strong>ch</strong>en Zugangs attraktiv<br />
ist. Kommt hinzu: Sexualität ist eine Entwicklungsaufgabe<br />
für die Jugendli<strong>ch</strong>en. Die interessierenden<br />
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