<strong>Spektralatlas</strong> <strong>für</strong> <strong>Astroamateure</strong> 84 20 M(e) Sterne auf dem AGB 20.1 Überblick Die instabilen M(e) Sterne auf dem AGB haben (noch) eine sauerstoffreiche Atmosphäre (⁄ < 1) und sind meistens langperiodisch Veränderliche des Typs LPV (Long Period Variable) oder „Mira Variable“. Die Schwankungsperiode der Helligkeit liegt in der Grössenordnung von ca. 100 bis 1000 Tagen. Prototyp dieser Klasse ist Mira (ο ceti). Diese Instabilität führt zu Schockwellen in der Sternatmosphäre, welche dadurch im Rhythmus der Helligkeitsschwankungen expandiert und kontrahiert (Radius bis zu Faktor 2!). Infolge dieses spektakulären Vorgangs verliert der Stern laufend Materie, wie jüngste Aufnahmen von Mira dokumentieren. Der Stern produziert auf seinem Weg durch die Galaxie eine eindrückliche Spur mit abgestossener Sternmaterie, welche sich im Ultraviolettbereich auf einer Länge von ca. 13 Lj verfolgen lässt. Dieses sensationelle Bild wurde mit GALEX (Galaxy Evolution Explorer, der NASA), im August 2008 aufgenommen: http://www.nasa.gov/mission_pages/galex/. 20.2 Spektrale Merkmale der M(e) Sterne auf dem AGB Parallel zum „Pulsieren“ der Sternatmosphäre treten Emissionslinien variabler Intensität im Spektrum auf, vor allem die kurzwelligeren H-Balmerlinien ab Hγ. Die maximale Intensität zeigt meistens Hδ (siehe Tafel 63), weil die, gemäss Balmerdekrement, zwingend intensiveren Hα, Hβ und Hγ Emissionen durch TiO Absorptionsbänder völlig überprägt (Hα, Hβ), oder stark abgeschwächt (Hγ) werden – gemäss [1] ein Hinweis darauf, dass die Emissionslinien in wesentlich tieferen Schichten der Sternatmosphäre als die Titanoxid Absorptionen entstehen. Auch die Spektralklassierung selbst ist oft über mehrere dezimale Subklassen veränderlich. Mit einem mässig hoch auflösenden Spektrografen können, ausser den Emissionslinien, kaum weitere Unterschiede zu einem gewöhnlichen M Stern erkannt werden. 20.3 Kommentierte Spektren Tafel 63: Überlagert dargestellte Breitbandspektren (200L). Vergleich des M(e) Sterns Mira, (o Ceti, M7 IIIe, oder M5e–9e [505]) mit dem gewöhnlichen M- Klasse Stern Ras Algethi (α Her, M5 II), der noch auf dem RGB steht, beschrieben bei Tafel 60. Mira A, wohl einer der bekanntesten Veränderlichen überhaupt, bildet die dominierende Komponente eines Doppelsternsystems mit Mira B (VZ Ceti): Er zeigt eine eindrückliche Helligkeitsschwankung Vvar ≈ 3 m – 10 m , mit einer Periode von ca. 331 Tagen (LPV). In Einzelfällen kann er deutlich heller als 2.0 m werden. Seine spektakuläre Veränderlichkeit wurde bereits 1639 von Holwarda entdeckt. Das HST Bild (NASA) zeigt Mira in einer Phase mit leicht ovaler Form. Dank des Durchmessers von >500 Mio. km kann der Stern (mittels Interferometrie) in einer Distanz von ca. 300 Lj noch als Scheibe aufgelöst werden! Abgesehen von geringen Intensitätsdifferenzen bei den TiO Bändern sind die Emissionslinien Hδ und Hγ im Wesentlichen die einzigen spektralen Unterschiede, welche den AGB Stern Mira vom RGB Stern Ras Algethi unterscheiden. Hδ ist hier deutlich intensiver als Hγ, was bereits oben begründet wurde. Das Profil wurde am 13.12.2010 (JD 2455544.46) aufgenommen, ca. 60 Tage nach dem Helligkeitsmaximum, V ≈ 4.1 m (AAVSO).
<strong>Spektralatlas</strong> <strong>für</strong> <strong>Astroamateure</strong> 85 TAFEL 63 Hδ 4101.74 Ras Algethi α Her M5 Ib-Il TiO 7126 TiO 7088 TiO 7054 Telluric O2 TiO 6815 TiO 6782 TiO 6715 TiO 6681 TiO 6651 TiO 6569 TiO 6478 TiO 6180 TiO 6159 TiO 5847 TiO 5814 TiO 5760 TiO 5668 TiO 5597/03 TiO 5497 TiO 5448/51 TiO 5359 TiO 5308 TiO 5240 TiO 5167 TiO 6384 TiO 6358 TiO 6268 TiO 5998 TiO 5968 TiO 5003/20 TiO 4955 TiO 4847 TiO 4804 TiO 4761-63 TiO 4704 TiO 4668 TiO 4626 TiO 4584 TiO 4548 TiO 4506 TiO 4462 TiO 4422 Hγ 4340.47 Ca l 4226.73 Ca II 3968.47 Ca II 3933.66 Mira o Ceti M7 IIIe, M5e – M9e Mira ©Richard Walker 2011/03