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5.1896 - der Landesbibliothek Oldenburg

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Gerhard Anton von Halem. 115<br />

Halem ist in den Pariser Tagen vor allem ein leidenschaftlicher Theaterbesucher;<br />

man begreift das, wenn man bedenkt, daß ihm in seiner Heimat<br />

dieses Vergnügen nur in <strong>der</strong> allerbescheidensten Weise geboten war.<br />

Und er ist auch ein Theaterkenner; Chuquet rühmt seine feinsinnigen<br />

Urteile über die französische Buhne, über das Pariser Theaterpublikum.<br />

über die Leistungen <strong>der</strong> namhaftesten Schauspieler.<br />

Aber alles das ist für unsern Reisenden nur Nebensache, nur<br />

chtc Beigabe zu dem Hauptzweck seiner Reife. Und dieser ist: die<br />

Revolution ans nächster Nähe zu sehen, mitten unter diesen von<br />

politischer Leidenschaft erregten Attischen zn wandeln, an Ort nnd<br />

Stelle die jähen Stimmungswechsel des Augenblicks zu erleben.<br />

Schon von <strong>der</strong> ersten Stunde an, Ivo er den französischen Boden betritt,<br />

bemerkt er mit Erstaunen, das; die französische Volksseele vollständig<br />

unter dem Banne <strong>der</strong> Revolution steht, wie in hunterttausend kleinen<br />

Zügen die große Umwälzung sich auf Schritt und Tritt mich dem<br />

oberflächlichsten Beobachter aufdrängt. Und nun erst in Paris<br />

selber! Halem besucht die Stätten, die in <strong>der</strong> kürzet! Geschichte <strong>der</strong><br />

Revolution sich einen unvergeßlichen Namen erworben haben, et<br />

sieht das Königspaar an sich vorüberschreiten, er hört mit an, wie<br />

man auf den Straßelt die giftigen Angriffe atts Marats „Ami du<br />

peuple" vorliest, wie im Palais-Royal die aufreizendsten Reben<br />

gegen den Hof gehalten werben, nnd bei einzelnen Anlässen sich die<br />

Wut bes Volkes in wilbeu Auftritten entläbt. Nirgends tritt ihm<br />

bie alles an<strong>der</strong>e beherrschend Erscheinung bieses Revolutionsfiebers<br />

merkwürbiger entgegen als int Theater. Tie politische Leibenschaft<br />

hat bie Breiter betreten und bie friedliche Bühne in eine Arena<br />

verwandelt, kriegsbereit stehen sich während je<strong>der</strong> Vorstellung die<br />

Parteien gegenüber, um bei jedem Ei tat, aus dem sie eine Anspielung<br />

auf die gegenwärtige Lage heraushorcheu können, in brausenden<br />

Jubel ober wilbes Murren auszubrechen. Wenn bie Aristokraten<br />

ber Arie aus Richard Löwenherz: „0 Richard, 6 mon roi, l'univers<br />

t'abandonne" Beifall klatschen, so ruft bie Vorführung voll<br />

Voltaires Brutus unter bcit Demokraten wahre Stürme bes Jubels<br />

hervor, vor denen die Gegenpartei die Flucht, ergreifen muß. Schon<br />

werden auf <strong>der</strong> Bühne Stücke gegeben, welche Vorgänge aus ber<br />

neuesten Revolntionsgeschichte verwerten ober in einer geistreichen<br />

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