22.08.2013 Aufrufe

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

122<br />

<strong>Utopie</strong>n mit einem hohen Grad an Moralisierung und Normierung des gesamten Lebensvollzugs<br />

im öffentlichen sowie im privaten Bereich auf. Deswegen aber können<br />

alle positiven <strong>Utopie</strong>n als im politischen Aristotelismus 477 verwurzelt angesehen werden.<br />

478 Darin ist die klassische Politik Bestandteil <strong>der</strong> Ethik, die über die Vernunft gewonnen<br />

wird. "Sie ist Lehre vom guten, gerechten und darum glücklichen Leben. Ein<br />

gutes und gerechtes Leben politikabgewandt, als Privatmann, führen zu können, ist für<br />

den politischen Aristotelismus unvorstellbar. ...Sitte, Gesetz und Charakterisierung sind<br />

für ihn nicht zu trennen. Moralität in ihrer neuzeittypischen legalitäts- und sittlichkeitspolemischen<br />

Ausrichtung ist ihm unbekannt. Im Republikianismus <strong>der</strong> klassischen<br />

Politik konvergieren die individuelle sittliche Lebensqualität und das Glück des Gemeinwesens.<br />

Das Heil <strong>der</strong> eigenen Seele unabhängig vom Heil <strong>der</strong> Polis zu suchen und<br />

wertvoller als das politische Schicksal des Gemeinwesens zu erachten, konnte keinem<br />

Anhänger <strong>der</strong> klassischen Politik, keinem Politen o<strong>der</strong> Republikaner einfallen. <strong>Der</strong><br />

einzelne Mensch nimmt sich nicht im Gegensatz zur Gemeinschaft wahr, setzt nicht auf<br />

seine eigene Vernunft, auf sein Gewissen im Gegensatz zu den Geltungsansprüchen <strong>der</strong><br />

Sitten, des Brauchtums, des üblichen, des lebensweltlichen Ethos, <strong>der</strong> sozialen Institution,<br />

son<strong>der</strong>n das Individuum des politischen Aristotelismus ist ein politischer Mensch,<br />

ein Gemeinschaftsmensch; es definiert sich durch die Teilhabe an <strong>der</strong> Gemeinschaft und<br />

verwirklicht sich in <strong>der</strong> Gemeinschaft, durch die engagierte Mitarbeit am politischen<br />

Leben, an <strong>der</strong> gemeinsamen Praxis. Und die Gemeinschaft erzieht die heranwachsenden<br />

Individuen, durch Gesetze und Vorbil<strong>der</strong>; ...dieses politische Leben ist ein dem Ge-<br />

477Dieser Begriff wird von Kersting in den politologisch-philosophischen Diskurs des Gesellschaftsvertrags<br />

eingeführt, vgl. <strong>der</strong>s., Gesellschaftsvertrag, 1-18.<br />

478 Freilich darf nicht übersehen werden, daß sich <strong>der</strong> politische Aristotelismus von den positivutopischen<br />

Konkretionen in zentralen Punkten auch abhebt: So stützt sich 1. <strong>der</strong> politische Aristotelismus<br />

im Gegensatz zum positiv-utopischen Denken auf eine metaphysische Naturauffassung,<br />

die als teleologisch charakterisiert werden kann: jedes Lebewesen ist demnach von Natur<br />

aus durch eine Art normativer Verfaßtheit bestimmt, die alle Lebensregungen, Bestimmungen<br />

und Rechte festlegt, die somit die Zielprojektion gelingen<strong>der</strong> Lebensentfaltung beinhaltet. Ein<br />

gutes Leben ist daher ein solches, das diese in <strong>der</strong> Wesensverfassung angelegte Zielprojektion<br />

verwirklicht. Das utopische Denken kommt im Gegensatz zu dieser Auffassung letztlich nicht<br />

ohne das Postulat des "neuen Menschen" aus, <strong>der</strong> über die naturgegebenen menschlichen Wesensbestimmungen<br />

hinaus gewonnen werden muß; 2. kennt <strong>der</strong> politische Aristotelismus nicht<br />

das für die neuzeitliche politische Philosophie, einschließlich des utopischen Diskurses, <strong>der</strong><br />

dieser Philosophiekonzeption gefolgt ist, fremde polemische Verhältnis zwischen Natur und<br />

Gesellschaft. Die Polis selbst ist Teil <strong>der</strong> Natur und diese muß nicht jenseits eines noch zu überwindenden<br />

Naturzustandes angesiedelt werden, wie dies zumindest für die archistischetatistische<br />

<strong>Utopie</strong>variante zutrifft; 3. vertritt <strong>der</strong> politische Aristotelismus eine Naturrechtskonzeption<br />

als Basis seiner Rechtsgemeinschaft, während die klassische <strong>Utopie</strong>tradition doch weit-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!