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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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6. gemeinsam ist allen genannten Autoren weiterhin die räumliche Lokalisierbarkeit<br />

ihres besten Gemeinwesens. Nicht in <strong>der</strong> Zukunft, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Gegenwart, an einem<br />

geeigneten Ort, wird die <strong>Utopie</strong> als verwirklicht beschrieben. Damit aber wird deutlich,<br />

daß bei den klassischen Raumutopien <strong>der</strong> Geschichte als wirkmächtiger Entwicklungsinstanz<br />

<strong>der</strong> Menschheit kein eigener Stellenwert eingeräumt wird. Dies än<strong>der</strong>t sich im<br />

18. Jahrhun<strong>der</strong>t, in dem die Raumutopie durch die Zeitutopie abgelöst wird.<br />

2.3 Die <strong>Utopie</strong>geschichte des 18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

Die <strong>Utopie</strong>geschichte des 18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts ist tief von <strong>der</strong> Geschichtsphilosophie<br />

jener Zeit durchdrungen. Dies zeigt sich erstens darin, daß die Geschichte meist als<br />

transzendentale Größe figuriert, die dem Menschen den Raum eröffnet, sich selbst und<br />

die Gesellschaft stetig zu vervollkommnen. Und zweites darin, daß das utopische Denken<br />

dieser Epoche stark dem geschichtsphilosophischen Topos des Fortschritts verbunden<br />

ist. Schließlich drittens darin, daß <strong>der</strong> Mensch entwe<strong>der</strong> über den <strong>Weg</strong> <strong>der</strong> "List <strong>der</strong><br />

Vernunft" in das Vervollkommnungsgeschehen eingespannt o<strong>der</strong> aber in materialistischer<br />

Deutung ganz zum homo faber wird. Und viertens darin, daß alle utopischen<br />

Konstrukte jener Epoche einer geschichtsphilosophisch durchdrungenen Vernunftskonzeption<br />

folgen, die als hermeneutischer Schlüssel zur Erschließung und Begründung <strong>der</strong><br />

utopischen Konstrukte dient.<br />

Um also die <strong>Utopie</strong>geschichte des 18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts richtig verstehen zu können,<br />

ist es nötig, die Geschichtsphilosophie als Voraussetzung des utopischen Denkens<br />

jener Zeit im Überblick darzustellen.<br />

2.3.1 Die Geschichtsphilosophie von Hobbes bis Comte<br />

Von Geschichtsphilosophie ist allgemein dann die Rede, wenn eine bestimmte systematische<br />

Deutung <strong>der</strong> Geschichte vorliegt, die <strong>der</strong> Geschichte einen linearen, universalen<br />

und immanenten Sinn unterzieht, <strong>der</strong> sich im Prozeß des Fortschritts <strong>der</strong> Vernunft manifestiert.<br />

<strong>Der</strong> Begriff Geschichtsphilosophie stammt von Voltaire 94 , <strong>der</strong> die These vertrat,<br />

daß die Geschichte als ein Fortschritt <strong>der</strong> Vernunft aus <strong>der</strong> Barbarei und dem dunklen<br />

Aberglauben befreie. In dieser Definition liegt eine positive Konnotation von Geschichte<br />

vor, die dann im Gefolge <strong>der</strong> französischen Revolution die Geschichte als ein<br />

Subjekt bestimmt, "das mit den göttlichen Epitheta <strong>der</strong> Allmacht, <strong>der</strong> Allgerechtigkeit<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Heiligkeit versehen wurde." 95 Mit dem Subjektcharakter <strong>der</strong> Geschichte wird<br />

94Vgl. Schwemmer, Geschichtsphilosophie, 752-755.<br />

95 Koselleck, Zukunft, 50.

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