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Friedemann Richert Der endlose Weg der Utopie - Augustana ...

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sam, daß das Konkurrenzprinzip auf die Vernichtung des wirtschaftlichen Rivalen abziele.<br />

Darum verwun<strong>der</strong>t es nicht, daß die utopischen Autoren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

entdeckten, wie krisenanfällig die Industrialisierung letztlich ist. Als übergreifendes<br />

Stichwort läßt sich auf die Überflußkrisen verweisen, die Fabrikstillegungen und Arbeitslosigkeit<br />

mit sich bringen. Das Ergebnis ist die Not <strong>der</strong> sozialen Frage, die als<br />

dominierende das Denken <strong>der</strong> Utopisten des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts in ihrer Sozialkritik und<br />

in ihrer Zeitdiagnose bestimmt hat.<br />

2.5.3 Das politisch-utopische Ideal<br />

Zunächst orientieren sich die utopischen Autoren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts 387 an dem von<br />

Platon und Morus vorgegebenen Muster <strong>der</strong> sozialen Harmonie: <strong>Der</strong> allgemeine Leidenszustand,<br />

in dem die Gesellschaft sich befindet, kann nur durch die Verwirklichung<br />

des Postulats <strong>der</strong> sozialen Harmonie aufgehoben werden. Angestrebt wird die Norm<br />

eines konfliktfreien Zusammenlebens, selbst Wells bleibt in seiner <strong>Utopie</strong> "A Mo<strong>der</strong>n<br />

Utopia" 388 diesem Harmonieideal verpflichtet. Die Schönheit, die Sauberkeit, das innere<br />

Gleichgewicht des utopischen Staates werden von ihm immer wie<strong>der</strong> gelobt. 389 Auch<br />

Morris ist in seiner <strong>Utopie</strong> auf die Verwirklichung dieses Ideals aus, das Glück des<br />

einzelnen, so lautet seine Hauptthese, kann es nur geben, wenn es mit dem Glück <strong>der</strong><br />

ganzen Gesellschaft übereinstimmt.<br />

Trotz dieser inhaltlichen Anbindung an die klassische <strong>Utopie</strong>tradition zeichnet sich<br />

im <strong>Utopie</strong>diskurs des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts doch ein Wandel gegenüber den klassischen<br />

Vorlagen ab. Ein zentrales Signum dieser Tradition war die innere Homogenität des<br />

Gemeinwesens um den Preis eines strikten Antiindividualismus. Dieser Imperativ ist<br />

aber nun in <strong>der</strong> utopischen Literatur des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts nicht mehr unbestritten. In <strong>der</strong><br />

Debatte darüber lassen sich zwei Richtungen ausmachen: Saint-Simon, Owen, Bulwer<br />

Lytton und Cabet vertreten als Sozialutopisten die Form des klassischen Antiindividualismus,<br />

<strong>der</strong> seine Entsprechung in <strong>der</strong> äußeren Phänomenologie des utopischen Gemeinwesens<br />

findet: Die Stadt- und Besiedlungsinfrastruktur orientiert sich an klaren<br />

geometrischen Formen. Auch an diesem Theorem kann <strong>der</strong> Einfluß des Vernunftspathos<br />

<strong>der</strong> Geschichtsphilosophie ausgemacht werden: Das gesamte öffentliche<br />

und private Leben muß, dieser Vernunftskonzeption entsprechend, einheitlich und totaliter<br />

strukturiert werden. Cabets <strong>Utopie</strong> "Reise nach Ikarien" steht exemplarisch für die<br />

antiindividualistische Stoßrichtung, wenn es bei ihm gilt, daß "die Homogenität <strong>der</strong><br />

387Vgl. zu folgendem ebd., 164-170.<br />

388 Vgl. Wells, Utopia.<br />

389 Vgl. ebd., 171.<br />

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